Ein neues Projekt an der BOKU University entwickelt ein standardisiertes Verfahren zur Erfassung der genetischen Vielfalt wildlebender Pflanzenarten – ein Schritt hin zu einem nationalen Monitoringsystem.

Die biogeografische Erforschung von Steppenpflanzen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Im Fokus stehen dabei unter anderem Verwandtschaftsbeziehungen sowie die genetische Diversität innerhalb und zwischen Populationen. Solche Analysen ermöglichen es, historische Migrationsrouten nachzuvollziehen und evolutionäre Entwicklungen im zeitlichen Kontext zu rekonstruieren.

Im Rahmen des an der BOKU angesiedelten Projekts „Erhebung der genetischen Vielfalt von Steppenpflanzen in österreichischen Trockenlebensräumen“ entsteht derzeit ein standardisiertes Verfahren, mit dem ein nationales System zur Erfassung der genetischen Vielfalt wildlebender Pflanzenarten aufgebaut werden soll. Projektleiterin Karin Tremetsberger vom Institut für Botanik erklärt: „Österreich besitzt einen reichhaltigen, aber wenig bekannten Schatz an prächtigen Steppenpflanzenarten. Wir wollen die Grundlage dafür schaffen, dass dieser Schatz nicht nur erhalten, sondern darüber hinaus auch in adäquater Weise für Renaturierungen mobilisiert werden kann, sodass sich in Zukunft wieder viele Menschen an dieser heimischen Vielfalt erfreuen können.“

Mit modernen genetischen Methoden (ddRADseq) werden 13 seltene Steppenpflanzenarten genotypisiert, die im pannonischen Osten sowie in kontinental geprägten, inneralpinen Trockentälern Österreichs vorkommen. Die Ergebnisse des Monitorings sollen langfristig dazu beitragen, die genetische Vielfalt – als Grundlage der Biodiversität – stärker im Naturschutz zu verankern und die Konnektivität zwischen Populationen und Schutzgebieten zu verbessern.

Seltene Steppenpflanzen – ein wertvolles Erbe in der Kulturlandschaft

Die Auseinandersetzung mit Steppenpflanzen hat in der österreichischen Wissenschaft eine lange Tradition – nicht zuletzt, weil einige dieser Arten hier ihre westlichsten Vorkommen haben und entsprechend selten sind. Auch im Naturschutz kommt ihnen eine besondere Bedeutung zu: Diese Trockenlebensräume sind in Österreich äußerst rar geworden und häufig nur mehr kleinflächig als Reste in unsere intensiv genutzten Kulturlandschaften eingestreut. Umso bemerkenswerter ist, dass das älteste Naturschutzgebiet des Landes – die Weikendorfer Remise, heute Teil des Europaschutzgebiets „Pannonische Sanddünen“ – einen solchen selten gewordenen Trockenstandort bewahrt.

Populationsdynamiken und die Biodiversitätskrise

Dass inneralpine Vorkommen von Steppenpflanzen keine bloßen Randvorkommen sind, wie lange angenommen, sondern eine eigenständige, zum Teil mehrere Hunderttausend Jahre alte evolutionäre Geschichte aufweisen, unterstreicht die besondere Bedeutung dieser Forschung. Mittels DNA-Analysen lässt sich klären, ob Populationen genetisch miteinander im Austausch oder isoliert sind, ob Inzucht auftritt und wie groß ihre genetische Vielfalt ist – ein entscheidender Faktor für ihre Anpassungsfähigkeit an Umweltveränderungen und ihr Überleben.

Tremetsberger betont: „Der Verlust genetischer Vielfalt beschleunigt den Rückgang von Arten und Populationen, was die Stabilität von Ökosystemen gefährdet. Schutzmaßnahmen müssen daher auch die genetische Ebene berücksichtigen“. So befinden sich Arten wie die Sandiris, die Späte Federnelke oder die Innsbrucker Küchenschelle bereits erfolgreich in einem Aufzuchtprogramme. Das Projekt liefert nun die wissenschaftliche Basis, um diese Maßnahmen genetisch fundiert zu begleiten und langfristig weiterzuentwickeln.

Österreichs erstes einheitliches genetisches Monitoring

Genetische Daten spielen im Naturschutz eine zentrale Rolle, da sie Einblicke in verborgene Prozesse ermöglichen, die mit bloßem Auge nicht erkennbar sind. Sie können somit als Frühwarnsystem dienen – lange bevor sichtbare Rückgänge auftreten. Darüber hinaus sind sie ein unverzichtbares Instrument, um den Zustand, die Entwicklung und das Management von Populationen wissenschaftlich fundiert zu bewerten und zu begleiten.

Das Projekt wird durch den Biodiversitätsfonds des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft gefördert und mit Mitteln der Europäischen Union finanziert.

Wissenschaftlicher Kontakt:
Priv.-Doz.in Mag.a Dr.in Karin Tremetsberger
BOKU University 
Institut für Botanik
karin.tremetsberger(at)boku.ac.at
+43 1 47654-83113