(c) Sarah Matej

(c) Sarah Matej

Zum heutigen Planet Earth Day, der 2025 unter dem Motto „Our Power, Our Planet“ steht, rückt eine zentrale Frage in den Fokus: Welchen Einfluss haben wir auf die Ökosysteme des Planeten? Die BOKU University liefert mit dem neuen LUIcube entscheidende Erkenntnisse zur globalen Landnutzung.

Wie sehr der Mensch in die natürlichen Ökosysteme eingreift, lässt sich nun mit bisher unerreichter Genauigkeit messen. Der sogenannte LUIcube – ein hochauflösender globaler Datensatz zur Landnutzung und -intensität zwischen 1992 und 2020, LUI steht für Land Use Intensity – ist das Ergebnis jahrelanger Forschung und interdisziplinärer Zusammenarbeit. Entwickelt unter der Leitung von Karlheinz Erb vom Institut für Soziale Ökologie der BOKU University in Wien, kombiniert der Datenwürfel Satellitenbilder, FAO-Statistiken und ökologische Modellierungen, um Veränderungen in der Landnutzung systematisch zu erfassen.

Neue Maßstäbe für die Landnutzungsforschung

Die Grundlage dafür ist das Konzept der HANPP – der „menschlichen Aneignung der Nettoprimärproduktion“. Nettoprimärproduktion ist die Biomasse, die Pflanzen durch Photosynthese  erzeugen. Menschliche Nutzung verändert einerseits die Produktivität der Vegetationsdecke, und entzieht den Ökosystemen Energie, indem Biomasse geerntet wird, etwa in Land- und Forstwirtschaft. Der Indikator „menschliche Aneignung der Nettoprimärproduktion" (HANPP) bildet beide Prozesse ab.

„Den LUIcube kann man sich wie ein Messinstrument vorstellen, das Ausmaß, Art und Intensität der Landnutzung weltweit konsistent über Zeit und Raum abbildet“, sagt Erstautorin Sarah Matej. Der Datensatz ist mit einer Auflösung von etwa einem Quadratkilometer weltweit konsistent und jährlich verfügbar – ein Novum in der Landnutzungsforschung. Die Daten unterscheiden zwischen 32 Landnutzungsklassen, die in fünf Haupttypen zusammengefasst werden: Ackerland, Weideland, Forstwirtschaft, Siedlungsflächen und Wildnis. Doch entscheidend ist nicht nur die Art der Nutzung, sondern deren Intensität. „Das Land kann zum Beispiel Ackerland bleiben, aber viel intensiver bewirtschaftet werden – und das können wir jetzt zeigen“, erklärt Matej.

Der LUIcube zeigt, was sonst verborgen bleibt

Der LUIcube erlaubt es somit erstmals, nicht nur Flächenveränderungen, sondern auch Nutzungsintensitäten über knapp drei Jahrzehnte hinweg zu analysieren. Die HANPP Daten unterteilen sich in drei Kategorien: Die Daten unterteilen sich in drei Kategorien: HANPPluc (Veränderungen der NPP durch Landumwandlung) und HANPPharv (geerntete Biomasse inklusive Verluste), die zusammen HANPP ergeben; und NPPeco, die verbleibende Produktivität im Ökosystem. Gerade diese Differenzierung ist essenziell, um den Einfluss des Menschen auf natürliche Kohlenstoffflüsse, Biodiversität und globale Versorgungssysteme präzise zu untersuchen.

Besonders anschaulich wird die Aussagekraft des LUIcube an internationalen Fallbeispielen wie Indonesien, Brasilien oder Tschechien. Dort lässt sich nicht nur die zunehmende landwirtschaftliche Nutzung und Entwaldung erkennen, sondern auch die feinteilige Dynamik der Kohlenstoffflüsse. „In Tschechien sehen wir etwa, dass sich die Flächennutzung kaum verändert hat, die Biomasseströme – gemessen in Millionen Tonnen Kohlenstoff – aber stark schwanken“, so Matej. Solche Schwankungen könnten etwa auf forstwirtschaftliche Intensivierungen oder Sturmschäden zurückzuführen sein.

Der LUIcube ist öffentlich zugänglich und liefert eine wertvolle Datengrundlage für Forschende weltweit – ob zur Analyse von Biodiversitätsverlust, Klimaeffekten oder Landnutzungskonflikten. Gleichzeitig bietet er die Möglichkeit, klimabedingte Extremereignisse wie Dürren oder Stürme in ihrem Einfluss auf die Landnutzung sichtbar zu machen. „Die große Schwierigkeit ist, über die Zeit konsistent zu messen. Damit man unterscheiden kann: Ist das ein echter Effekt oder nur ein Rauschen?“, betont Matej.

Ein Meilenstein in der Umweltforschung

Gerade im Kontext globaler Nachhaltigkeitsziele ist ein solch differenziertes Verständnis von Landnutzung und -intensität entscheidend. Denn in einer Welt mit wachsender Bevölkerung und steigendem Ressourcenbedarf kommt der effizienteren, aber auch nachhaltigeren Nutzung der vorhandenen Flächen zentrale Bedeutung zu. „Ein Großteil der zusätzlichen landwirtschaftlichen Produktion entsteht nicht dadurch, dass mehr Fläche genutzt wird – sondern weil bestehende Flächen intensiver genutzt werden“, so Matej. Der LUIcube ermögliche es nun, diese Dynamiken sichtbar und analysierbar zu machen – ein Meilenstein in der Umweltforschung.

Zur Publikation: https://doi.org/10.1038/s41597-025-04788-1

Grafik (c) Sarah Matej: https://bokubox.boku.ac.at/#c70a802657fff64b1350c74e0c70c2bd

Gezeigt werden Landnutzungsintensitäten und deren Entwicklung in Tschechien und Österreich. Während die Aneignung von Nettoprimärproduktion in Österreich seit 1992 weitgehend stabil blieb, verringerte sich der Anteil der in Ökosystemen verbleibenden NPP in Tschechien vor allem seit 2015 bei gleichzeitigem Anstieg der Holzernte. In 2020 zeigt sich eine flächendeckend intensive Nutzung in Tschechien während in Österreich vor allem im Norden und Osten intensivere Landnutzung betrieben wird.

Wissenschaftlicher Kontakt
Mag.a Sarah Matej
BOKU University
Institut für Soziale Ökologie
Email: sarah.matej(at)boku.ac.at
Telefon: +43 1 47654-73747