Gebäude, Straßen, Maschinen, digitale Infrastruktur – die Masse aller von Menschen geschaffenen Gegenstände übersteigt mittlerweile jene aller lebenden Organismen auf der Erde. Eine internationale Studie, koordiniert von der BOKU University und der McGill University in Kanada, hat nun erstmals die sogenannte „Technosphäre“ als eigenständige Sphäre des Erdsystems systematisch definiert und vermessen.

„Wenn wir Nachhaltigkeit ernst nehmen wollen, müssen wir die Gesellschaft und das Erdsystem gemeinsam denken“, sagt Dominik Wiedenhofer vom Institut für Soziale Ökologie der BOKU, der das Projekt gemeinsam mit Eric Galbraith von der McGill University leitete. „Die Technosphäre ist das, was wir als Menschheit physisch aufgebaut haben – und sie wächst exponentiell.“

Ein System von enormer Masse – mit dynamischer Wirkung

Allein ihr aktuelles Gewicht wird auf rund 1.000 Milliarden Tonnen geschätzt – etwa so viel wie alle lebenden Pflanzen und Tiere zusammen. Die Technosphäre umfasst laut Studie alle von Menschen geschaffenen, nicht-lebenden Gegenstände, die funktional im Einsatz sind – von Straßen über Stromleitungen bis zu Computern. Nicht dazu zählen etwa Abfälle oder biologische Stoffe wie Nahrung.

Besonders eindrücklich: Die beweglichen Teile der Technosphäre – Autos, Flugzeuge, Maschinen – machen nur etwa 1,6 Prozent der Gesamtmasse aus, haben aber eine überproportionale Wirkung auf Ressourcenverbrauch, Biodiversität und Klimawandel.

Klare Definition statt unscharfer Begriffe

Frühere Begriffe wie die „Anthroposphäre“ seien analytisch wenig brauchbar, so Wiedenhofer: „Wenn ein Begriff alles umfasst, was Menschen je berührt haben – vom Mikroplastik bis zur Zahnbürste – dann erklärt er am Ende nichts.“ Das neue Konzept sei dagegen klar gefasst, wissenschaftlich anschlussfähig und quantitativ nutzbar.

Zentral für die Studie war ein neu entwickeltes Kategoriensystem, das technische Objekte nach ihrem gesellschaftlichen Nutzen ordnet – etwa Transport, Energieversorgung oder Informationsverarbeitung. „Damit können wir besser verstehen, welche Bereiche besonders wachsen, welche Strukturen ressourcenintensiv sind – und wo Hebel für Nachhaltigkeit liegen“, sagt Wiedenhofer.

Grenzen des Wachstums neu vermessen

Die Studie zeigt: Die Technosphäre ist nicht nur riesig, sie wächst auch mit industrieller Dynamik – etwa alle 20 Jahre hat sich ihre Masse seit 1900 verdoppelt. „Solches Wachstum erinnert weniger an natürliche Kreisläufe als an industrielle Logik – und stellt eine Herausforderung für planetare Grenzen dar“, so Wiedenhofer.

Die Erkenntnisse bieten neue Grundlagen für Nachhaltigkeitsstrategien, Ressourcenschutz und Infrastrukturplanung– etwa durch Kreislaufwirtschaft, langlebige Bauweisen oder technologiearme Alternativen. Gleichzeitig liefert das Konzept wichtige Anknüpfungspunkte für die Klimaforschung, etwa in Bezug auf Emissionen, Landnutzung und Energieflüsse. „Wir brauchen eine Technosphäre, die nicht nur funktioniert, sondern dem Leben auf diesem Planeten dient.“

Mehr Informationen auf https://esd.copernicus.org/articles/16/979/2025/

Wissenschaftlicher Kontakt
Mag.Dr. Dominik Wiedenhofer, Bakk.techn.
Soziale Ökologie
Email: dominik.wiedenhofer(at)boku.ac.at
Telefon: +43 1 47654-73729