(c) Stadt Wien/Martin Votava

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Mehr wilde Natur in der Stadt? Eine neue Studie der BOKU University zeigt, dass die Mehrheit der Wienerinnen und Wiener der Entwicklung von städtischen Grünflächen hin zu wilder, sich selbst entfaltender Natur positiv gegenübersteht. Das Forschungsteam hat erstmals untersucht, wie die lokale Bevölkerung auf unterschiedliche Formen von Urban Rewilding in ihren Wohnvierteln reagieren würde und welche Faktoren ihre Haltung besonders beeinflussen.

Warum Naturflächen für Städte wichtig ist

In vielen Städten gilt die sorgfältig gepflegte Grünfläche noch als Standard. Wilde Naturflächen – mit spontaner Vegetation und verwilderten Strukturen – können demgegenüber erhebliche ökologische und gesundheitliche Vorteile bieten: Sie steigern die Biodiversität, verbessern das Mikroklima und bietet den Stadtbewohner*innen und vielfältige Naturerfahrungen. Bisher fehlten jedoch detaillierte Erkenntnisse dazu, wie groß die gesellschaftliche Akzeptanz in einem städtischen Kontext tatsächlich ist.

Stadtwälder und Wildblumenwiesen besonders beliebt

Die Ergebnisse der Befragung sind deutlich: Urbane Renaturierungsprojekte, die zur Entstehung von wilden Stadtwäldern oder Wildblumenwiesen führen, werden von einem Großteil der Wiener Bevölkerung positiv aufgenommen. Dies ist bemerkenswert, da frühere Untersuchungen häufig eine Präferenz für gepflegte Grünflächen nahelegten und wilde, naturbelassene Areale eher zurückhaltend bewertet wurden.

Die Befragung basierte auf zwei Ausgangssituationen: In den Szenarien wurde jeweils angenommen, dass 50 % einer bestehenden, leicht zugänglichen Grünfläche oder 50 % einer freistehenden, derzeit ungenutzten Fläche in der Nachbarschaft der befragten Personen in wilde Natur umgewandelt werden.

Je nach Szenario würden mindestens 46 % der Befragten solche Projekte befürworten oder aktiv unterstützen, 10 % bis 24 % lehnen sie ab. Der verbleibende Anteil zeigt eine indifferente oder tolerante Haltung gegenüber Urban Rewilding-Initiativen.

Wer steht Urban Rewilding besonders offen gegenüber – und wer nicht?

Die Analyse zeigt deutliche Unterschiede in der Akzeptanz:

  • Erfahrungen mit wilder Natur: Wer bereits urbane Wildnisflächen zur Erholung nutzt – etwa zum Spazierengehen, Entdecken oder Naturbeobachten – bewertet neue Projekte deutlich positiver.
  • Alter: Junge Erwachsene (15–24 Jahre) zeigen eine signifikant geringere Akzeptanz, während ältere Befragte (55–75 Jahre) fast dreimal so häufig zustimmen.
  • Wohnumfeld: Menschen, die ihre Wohnviertel als vernachlässigt wahrnehmen, äußern tendenziell weniger Zustimmung.

„Unsere Studie zeigt, dass Urban Rewilding, also die Schaffung von wilder Natur in der Stadt, in Wien grundsätzlich auf breite Unterstützung stößt – eine sehr positive Botschaft für die Zukunft unserer Städte“, erklärt Brenda Maria Zoderer, Erstautorin der Studie vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung der BOKU University. „Gleichzeitig müssen wir die Bedenken bestimmter Gruppen, insbesondere junger Menschen und Anrainer*innen aus verhältnismäßig vernachlässigten Wohngebieten, ernst nehmen. Um städtische Renaturierungsprojekte, die zu mehr Wildnis führen, wirklich gerecht und erfolgreich zu gestalten, ist es entscheidend, diese Stimmen aktiv in die Planung einzubeziehen und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die Ungleichheiten nicht verstärken, sondern allen zugutekommen.“

Fazit: Wilde Natur als „Mensch-mit-Natur“-Strategie

Die Forschenden betonen, dass Urban Rewilding dann besonders erfolgreich ist, wenn die neu entstehenden Flächen für die Bevölkerung zugänglich und erlebbar bleiben. Das Ziel sei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ökologischen Ambitionen und den Bedürfnissen der Stadtbewohner*innen – eine Mensch-mit-Natur-Strategie, die Biodiversität fördert und gleichzeitig die Lebensqualität steigert.

Link zur Studie:
“Giving space back to nature in cities? A multi-scenario analysis of the acceptability of urban rewilding among local communities” von Brenda Maria Zoderer und Harald Wieser, veröffentlicht in People and Nature (2025).
https://doi.org/10.1002/pan3.70101.

Die Studie wurde aus Mitteln des StartClim21/22 Programmes und des Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die BOKU finanziert.

Wissenschaftlicher Kontakt:
Mag.a Brenda Maria Zoderer, PhD
Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung
BOKU University
01 47654 – 85342
brenda.zoderer(at)boku.ac.at

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