10.04.2025 - Klimawandel trifft ungleich: Warum soziale Gerechtigkeit der Schlüssel zur erfolgreichen Anpassung ist

Der Klimawandel ist nicht nur eine ökologische und technische Herausforderung – er ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Eine aktuelle Studie unter dem Lead der BOKU zeigt: Besonders vulnerable Gruppen wie einkommensschwache Haushalte und ältere Menschen sind von den Folgen wie urbaner Hitze oder Extremwetter besonders betroffen. Selbst gut gemeinte Maßnahmen wie die Begrünung von Stadtteilen können unbeabsichtigt zur Verdrängung jener führen, die eigentlich geschützt werden sollen – wenn soziale Aspekte nicht von Anfang an mitgedacht werden.
„Die Auswirkungen des Klimawandels sind auf verschiedenen Ebenen spürbar – besonders in städtischen Hitzeinseln, in denen die Umweltbedingungen durch eine geringe Grünraumbedeckung und eine hohe Konzentration vulnerabler Gruppen verschärft werden“, sagt Michael Friesenecker vom Institut für Landschaftsplanung der BOKU in Wien. Die aktuelle Studie ist aus dem vom WWTF-geförderten Forschungsprojekt SENSUS und in Zusammenarbeit zwischen der BOKU University, Geosphere Austria, TU Wien, Austrian Institute of Technology und dem Joanneum Research entstanden.
„Wir haben auch Projektionen zur Entwicklung vulnerabler Bevölkerungsgruppen erstellt, die auf sozioökonomischen Szenarien beruhen“, so Friesenecker weiter. „Unsere Berechnungen zeigen: In einem Szenario der geopolitischen Abschottung mit Fokus auf Sicherheit statt Sozialpolitik drohen wachsende soziale Ungleichheiten. Wenn nicht gleichzeitig Klimaschutzmaßnahmen und soziale Gerechtigkeit – insbesondere in den Bereichen Bildung und Einkommen – in den Mittelpunkt der Politik gestellt werden, drohen massive Herausforderungen bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels.“
Teures Grün: Wenn Klimaanpassung zur Verdrängung führt
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie: Die Begrünung von Stadtgebieten als Maßnahme zur Klimaanpassung birgt das Risiko der Verdrängung einkommensschwacher Gruppen. „Wenn Grünflächen in gefährdeten Stadtteilen ausgebaut werden, steigen oft die Immobilienpreise, was diejenigen verdrängen kann, die von diesen Maßnahmen profitieren sollen“, so Friesenecker. Besonders in unregulierten Mietmärkten bestehe dieses Risiko in erhöhtem Maße, auch in Wien treffe das auf den privaten Mietwohnungsmarkt zu.
Klimaschutz braucht Wohnpolitik: Warum leistbarer Wohnraum entscheidend ist
Die Studie belegt jedoch auch, dass der Anteil sozialer Wohnbauprojekte das Gentrifizierungsrisiko erheblich senken kann. „Jeder zusätzliche Prozentanteil an sozialem Wohnbau verringert das Risiko einer Gentrifizierung um vier bis fünf Prozent. Gerade vor dem Hintergrund globaler Tendenzen, Wohnen zunehmend, als Ware zu betrachten und leistbarer Wohnraum unter Druck gerät, war es uns am Beispiel Wiens – wo sozialer Wohnbau eine zentrale Rolle spielt – besonders wichtig, diesen Zusammenhang sichtbar zu machen.“
Diese Erkenntnis basiert auf der Analyse verschiedener Wohnungsmarktsegmente in Wien, die es ermöglichte, die Wechselwirkungen zwischen sozialer Ungleichheit, Wohnungsmarktstrukturen und Klimawandelanpassung zu untersuchen. „Die Verknüpfung von Klimawandelanpassung und sozialer Gerechtigkeit ist entscheidend, wenn wir als Gesellschaft langfristig resilient bleiben wollen“, betont Friesenecker abschließend. „Klimaschutz und die Verringerung sozialer Ungleichheiten müssen Hand in Hand gehen, damit wir eine zukunftsfähige, gerechte und lebenswerte Stadt für alle schaffen können.“
Zum Artikel im npj urban sustainability: https://www.nature.com/articles/s42949-025-00202-2
Wissenschaftlicher Kontakt
Mag.rer.nat. Michael Friesenecker
BOKU University
Institut für Landschaftsplanung
Email: michael.friesenecker(at)boku.ac.at
Telefon: +43 1 47654-85420