Forschende der BOKU University haben gemeinsam mit internationalen Partnern einen bislang unbekannten Abwehrmechanismus von Pflanzen identifiziert. Die Ergebnisse liefern neue Einblicke in die komplexe Rolle von Zuckermolekülen im pflanzlichen Immunsystem – und eröffnen neue Perspektiven für den Pflanzenschutz.

Pflanzenzellen sind wahre Kohlenhydratfabriken – sie produzieren eine Vielzahl der weltweit am häufigsten vorkommenden Glykanpolymere. Insbesondere Glykane, die an Proteine gebunden sind, spielen eine zentrale Rolle für Wachstum, Entwicklung und die Immunabwehr von Pflanzen. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen: Diese Zuckermoleküle sind ein entscheidender Faktor im ständigen molekularen Wettrüsten zwischen Pflanzen und Pathogenen.

Unsichtbar für die Pflanzenabwehr: Wie Glycosyrin das Immunsystem täuscht

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung einer Arbeitsgruppe der Universität Oxford und mit maßgeblicher Beteiligung der BOKU hat nun einen neuen Mechanismus entdeckt, mit dem sich ein bakterieller Krankheitserreger der pflanzlichen Immunabwehr entzieht: Er produziert eine zuckerähnliche Substanz namens Glycosyrin, die gezielt ein pflanzliches Enzym hemmt. Dieses Enzym ist normalerweise dafür verantwortlich, sogenannte Immunepitope auf bakteriellen Proteinen freizulegen – eine wichtige Voraussetzung für die Aktivierung der pflanzlichen Abwehrreaktion.

„Glycosyrin blockiert diese Freilegung und verschleiert somit das Pathogen gegenüber dem pflanzlichen Immunsystem“, erklärt Richard Strasser vom Institut für Pflanzenbiotechnologie und Zellbiologie an der BOKU. „Die Studie verdeutlicht eindrucksvoll, wie zentral glykobiologische Prozesse im Abwehrkampf von Pflanzen sind.“

Analytische Präzision made in BOKU

Ein Schlüsselelement der Forschung war die präzise Analyse von Veränderungen in der Glykosylierung während der Infektion. Diese wurde mithilfe einer an der BOKU Core Facility Mass Spectrometry (CFMS) entwickelten Methode durchgeführt. „Unsere langjährige Expertise in der Analyse pflanzlicher Glykanstrukturen war ausschlaggebend für das Verständnis der Glycosyrin-Wirkung“, so Clemens Grünwald-Gruber, Leiter der CFMS, der gemeinsam mit Johannes Stadlmann vom Institut für Biochemie an der Etablierung der Methode beteiligt war.

Die Arbeitsgruppe von Richard Strasser forscht seit fast drei Jahrzehnten im Bereich der pflanzlichen Glykobiologie. Ihr Fokus liegt auf der Aufklärung der molekularen Grundlagen von Glykanbiosynthese und -funktion – mit Anwendungsbereichen, die von der Entwicklung stressresistenter Nutzpflanzen bis hin zur Herstellung biopharmazeutischer Glykoproteine mit maßgeschneiderten Zuckerstrukturen reichen.

Die BOKU Core Facility Mass Spectrometry unter der Leitung von Clemens Grünwald-Gruber bietet modernste Trenn- und Analyseverfahren in den Bereichen Proteomics, Glycomics, Metabolomics sowie Elementar- und Isotopenanalyse – und das für Fragestellungen in den Lebens-, Umwelt- und Lebensmittelwissenschaften.

Nähere Informationen auf https://www.science.org/doi/10.1126/science.adp2433

Wissenschaftlicher Kontakt
Assoc.Prof. Dr. Richard Strasser
BOKU University
Institut für Pflanzenbiotechnologie und Zellbiologie
Email: richard.strasser(at)boku.ac.at
Telefon: +43 1 47654 94345