Von links nach rechts: Keywan Riahi (IIASA), Margreth Keiler (Universität Innsbruck), Umwelt- und Klimaminister Norbert Totschnig, Harald Rieder (BOKU Wien) und Daniel Huppmann (IIASA). (c) BMLUK Hemerka

Mit dem heute von Bundesminister Norbert Totschnig präsentierten Zweiten Österreichischen Sachstandsbericht zum Klimawandel (AAR2) liegt die bislang umfassendste interdisziplinäre Analyse der Klimawandelfolgen und Handlungsoptionen für Österreich vor.

Der Bericht beleuchtet Ursachen, Ausprägungen und Folgen des Klimawandels in Österreich und skizziert Pfade zur Erreichung der Klimaneutralität. Er macht deutlich: Investitionen in Klimaschutz und Anpassung sind langfristig deutlich kostengünstiger als nicht zu handeln. 
Co-Chair Harald Rieder betont: „Ein vorausschauender, systematisch geplanter Klimaschutz rechnet sich – ökologisch, wirtschaftlich und sozial. Die Klimakrise ist kein Zukunftsszenario, sondern in Österreich längst Realität. Extreme Wetterereignisse, Hitzebelastung und Folgeschäden verursachen schon heute enorme Kosten. Der Bericht zeigt: Wenn wir jetzt handeln, können wir Risiken begrenzen und wirtschaftliche Stabilität sichern. Klimaschutz ist damit eine Investition in Wohlstand, Sicherheit und Lebensqualität. Der nun vorliegende Bericht liefert eine solide wissenschaftliche Grundlage für entschlossenes gesellschaftliches Handeln.“
Co-Chair Harald Rieder, Institut für Meteorologie und Klimatologie, BOKU
Email: harald.rieder(at)boku.ac.atTel.: +43 (1) 47654 - 81401

Es haben mehr als 30 BOKU-Wissenschaftler*innen an dem Bericht mitgewirkt.

 Österreich erwärmt sich schneller als erwartet

„In Österreich erlebten wir in den vergangenen 50 Jahren einen sehr starken Temperaturanstieg. Die Erwärmung war mit 0.5 °C pro Dekade deutlich stärker als von unseren Klimamodellen angenommen. Eine weitere Erwärmung innerhalb der nächsten Jahrzehnte lässt sich nicht mehr verhindern, selbst wenn wir unsere Klimaschutzziele einhalten. Dies ist aber unerlässlich, damit in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts eine Stabilisierung des Klimas möglich ist“, betont Herbert Formayer. Die Auswirkungen der Erwärmung sind vielfältig: „So ist die Hitzebelastung markant angestiegen und speziell in den Städten besonders belastend. Durch die verstärkte Verdunstung kommt es immer häufiger zu Trockenheitsproblemen, gleichzeitig steigt das Risiko für Starkniederschläge, da eine wärmere Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Formayer: „Starke Auswirkungen sieht man auch bei den Schneeverhältnissen. Seit Jahrzehnten nimmt die Schneebedeckung bis in mittlere Höhenlagen ab, was sich auf den Wintertourismus auswirkt“, so Formayer.
Koordinierender Leitautor Kapitel 1 - Physikalische und ökologische Ausprägung des Klimawandels in Österreich: Herbert Formayer, Institut für Meteorologie und Klimatologie, BOKU. Email: herbert.formayer(at)boku.ac.atTel.: +43 (1) 47654 - 81415

Landnutzung: Teil des Problems – und der Lösung

„Landökosysteme erbringen unverzichtbare Leistungen für unsere Gesellschaft – von der Nahrungsmittelproduktion bis zur Klimaregulierung. Doch die heutige Landnutzung trägt erheblich zu den Umweltkrisen bei: Sie gilt als Haupttreiber des Biodiversitätsverlusts und verursacht erhebliche Treibhausgasemissionen“, erklärt Karlheinz Erb. Gleichzeitig seien Landökosysteme selbst stark vom Klimawandel betroffen. Je stärker die Klimakrise voranschreite, desto stärker leiden auch ihre Ökosystemleistungen – etwa bei der Bindung von Kohlenstoff. „Die Landnutzung kann aber auch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, so Erb weiter, „dabei sind technische Lösungen zwar wichtig, bergen jedoch oft nur kleinere Potenziale. Deutlich größere Potenziale liegen in einer Reduktion von Produktions- und Konsumvolumina – vor allem bei tierischen Produkten und Holz.“ Solche Ansätze seien umsetzbar, erforderten jedoch breite gesellschaftliche Akzeptanz, gerechte Rahmenbedingungen und ganzheitliche Konzepte. Gelinge dies, könnten Landökosysteme – neben dem Ausstieg aus fossilen Energien – eine tragende Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität übernehmen.
Koordinierender Leitautor Kapitel 2 - Klimawandel, Landnutzung, Ökosystem-leistungen und Gesundheit: Karlheinz Erb, Institut für Soziale Ökologie, BOKU
Email: karlheinz.erb(at)boku.ac.atTel.: +43 (1) 47654 - 73715

Klimagerechtigkeit braucht soziale Fairness

„Auch in Österreich ist die Klimakrise von sozialer und geschlechtsspezifischer Ungleichheit geprägt“, erklärt Barbara Smetschka. Strukturelle Faktoren wie der Gender-Pay-Gap, geringere Erwerbsbeteiligung und ungleiche Verteilung von Sorgearbeit machen Frauen besonders verletzlich – sie sind häufiger von Energiearmut betroffen und haben geringere Möglichkeiten, sich an klimabedingte Belastungen anzupassen. Eine gerechtere Aufteilung von Erwerbsarbeit, Sorgearbeit und Freizeit könne soziale Ungleichheiten verringern, Zeitdruck reduzieren – und gleichzeitig Konsum sowie Emissionen senken. „In allen Szenarien zeigt sich: Neben Effizienzmaßnahmen sind vor allem Strategien zur Senkung der Nachfrage entscheidend – auch zur Verringerung der Energieabhängigkeit“, so Smetschka. Ihr Fazit: „Ein Fokus auf die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen – etwa in Mobilität, Wohnen, Ernährung, Pflege und Arbeit – ermöglicht ein gutes Leben, das klima- und sozialgerecht ist. Dafür braucht es eine fairere Verteilung von Arbeit – mit positiven Effekten für Klima, Gesundheit und Geschlechtergerechtigkeit.“
Koordinierende Leitautorin Kapitel 4 - Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen in einer klima-resilienten Wirtschaft: Barbara Smetschka, Institut für Soziale Ökologie, BOKU
Email: barbara.smetschka(at)boku.ac.at, Tel.: +43 (1) 47654 - 73719

Umsetzungslücke gefährdet Zielerreichung

Die mit den derzeitigen politischen Maßnahmen erreichbaren Emissionsreduktionen reichen nicht aus, um die EU-Klimaziele im Einklang mit dem Pariser Abkommen zu erfüllen. „Einflussreiche wirtschaftliche und politische Interessengruppen in Österreich blockieren wirksame Klimaschutzmaßnahmen und verhindern so, dass das volle Potenzial der Klimapolitik ausgeschöpft wird“, erklärt Daniel Ennöckl. Dadurch entstehe eine erhebliche Umsetzungslücke: „Zwar gibt es ambitionierte Klimaziele, doch es fehlen die nötigen Maßnahmen und Instrumente, um sie zu erreichen.“ Die Folgen sind bereits spürbar – und werden zunehmen: Klimawandelbedingte Schäden kosten Österreich aktuell rund 2 Milliarden Euro jährlich. Bis 2030 wird mit Kosten zwischen 2,5 und 5,2 Milliarden Euro gerechnet, bis 2050 könnten sie auf 4,3 bis 10,8 Milliarden Euro ansteigen.
Koordinierender Leitautor Kapitel 6 - Politische, juristische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte der Klima-Governance: Daniel Ennöckl, Institut für Rechtswissenschaften, BOKU. Email: daniel.ennoeckl(at)boku.ac.at, Tel.: +43 (1) 47654 - 73611

Wie die Alpen ihre Stabilität verlieren

Die Folgen des Klimawandels sind im Alpenraum deutlich spürbar. „Die Erwärmung entspricht jener in anderen Landesteilen, wirkt sich in den Alpen aber besonders stark auf die Kryosphäre aus“, erklärt Sven Fuchs. Dazu zählen weniger Schneefall, eine dünnere und kürzere Schneedecke, starkes Gletscherschwinden und Veränderungen im Permafrost.
Auch der Wasserkreislauf verändert sich: Weniger Schnee, frühere und intensivere Schneeschmelze sowie häufigere Starkregen im Sommer belasten das alpine System zunehmend. In den Tälern nehmen Überschwemmungen, Murenabgänge und – in geringerem Ausmaß – Hangrutschungen zu. Die Waldbrandgefahr steigt.
„Höhere Temperaturen und häufigere Dürreperioden verändern die Baumartenzusammensetzung“, so Fuchs weiter. Damit steigt die Anfälligkeit gegenüber Stürmen, Bränden, Schädlingen und Insekten wie dem Borkenkäfer – was die Schutzfunktion der Wälder in höheren Lagen schwächt. Zudem verdrängen wärmeliebende Arten zunehmend kälteangepasste Pflanzen und Tiere. „Langfristig führt das zum Verlust biologischer Vielfalt, insbesondere in höheren Lagen“, warnt Fuchs.
Koordinierender Leitautor Kapitel 7 - Die österreichischen Alpen als multi-dimensionaler Betrachtungsraum: Sven Fuchs, Institut für Alpine Naturgefahren, BOKU

Email: sven.fuchs(at)boku.ac.at, Tel.: +43 (1) 47654 - 87117

Klimaschutz, Anpassung und soziale Gerechtigkeit verbinden

„Zentral für eine wirksame klimafreundliche Transformation ist die Verbindung von Suffizienz- und Vermeidungsstrategien mit techno-ökonomischen Lösungen“, betont Nathalie Spittler. So können Klimaschutz, Anpassung an Klimafolgen und die Sicherung angemessener Lebensstandards synergetisch miteinander verknüpft werden. „Systemisch betrachtet ist die Klimakrise ein Symptom eines kranken Gesamtsystems. Eine langfristige Transformation muss daher über reine Symptombekämpfung hinausgehen.“ Entscheidend sei der Aufbau klimafreundlicher sozialer Infrastrukturen und die Verschiebung bestehender Machtverhältnisse. Kurzfristig spielen Maßnahmen zur Erleichterung der Anpassung an den Wandel eine wichtige Rolle, etwa durch die Senkung der Lebenshaltungskosten mit Instrumenten wie Klimabonus, Reparaturbonus oder Klimaticket. In dieser Herausforderung liegt auch eine große Chance: „Indem wir die Klimakrise nutzen, können wir ein gesundes System schaffen, in dem ein gutes Leben für alle nicht im Widerspruch zu Klimazielen steht“, so Spittler abschließend.
Koordinierende Leitautorin Kapitel 8 – Transformationspfade:
Nathalie Spittler, Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit, BOKU 
Email: nathalie.spittler(at)boku.ac.at, Tel.: +43 (1) 47654 - 99119

Der AAR2 ist ein Bericht des Austrian Panel on Climate Change (APCC) und wurde von den Co-Chairs Harald Rieder (BOKU University), Margreth Keiler (Universität Innsbruck und Österreichische Akademie der Wissenschaften), Daniel Huppmann und Keywan Riahi (beide International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA)) koordiniert. Der Bericht wurde aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des 14. Austrian Climate Research Programme (ACRP) durchgeführt. 

Der Gesamtbericht ist über die Website https://aar2.ccca.ac.at zugänglich.