21.05.2025 - Stillstand im Stahlrecycling

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Eine internationale Studie unter Beteiligung der BOKU University zeigt: Trotz jahrzehntelanger Bemühungen stagniert der Anteil von recyceltem Material in der globalen Stahlproduktion seit über 20 Jahren bei etwa 30 Prozent. Einem Material, das gerne als Vorbild der Kreislaufwirtschaft gilt, fehlt es offenbar an globaler Zirkularität.
Neben der BOKU University waren an der Studie auch das National Institute for Environmental Studies (Japan), die Leiden University (Niederlande) sowie das Institute for Sustainable Futures an der University of Technology Sydney (Australien) beteiligt. Projektleiter auf österreichischer Seite ist Dominik Wiedenhofer vom BOKU-Institut für Soziale Ökologie.
Mehr Recycling – aber kein Fortschritt
„Stahl wird politisch oft als Musterbeispiel für funktionierende Kreislaufwirtschaft dargestellt“, sagt Wiedenhofer. „Uns hat interessiert, wie viel tatsächlich recycelt wird – und wie sich das über die letzten Jahrzehnte entwickelt hat.“
Die Antwort: Es gibt keine substanziellen Fortschritte. Zwar wird Altstahl weltweit zu etwa 85 Prozent gesammelt und recycelt, doch gleichzeitig wächst der Bedarf an Stahl in Gebäuden, Infrastruktur und Industrieanlagen so stark, dass recycelte Mengen den Bedarf bei Weitem nicht decken können. „Die massiv steigende Nachfrage hat eigentlich jeden Fortschritt im Recycling konterkariert“, so der Sozialökologe. „Der Bergbau für Stahl hat sich seit 2000 verdreifacht.“
Recyclingquoten im internationalen Spannungsfeld
Ein weiteres zentrales Ergebnis: Hohe Recyclinganteile in einzelnen Ländern sind oft nur möglich, weil andere Länder weiterhin stark auf Primärproduktion setzen. „Ein Teil der ressourcenintensiven Industrie ist ausgelagert“, erklärt Wiedenhofer. „Manche Länder können sich dann relativ einfach als besonders zirkulär oder fortschrittlich darstellen – auf Kosten anderer.“ Der vermeintlich „grüne Stahl“ in Europa basiert damit oft auf importiertem Schrott oder ausgelagerter Hochofenproduktion in Ländern mit niedrigeren Umweltstandards.
Die Studie warnt daher davor, nationale Recyclingquoten isoliert zu betrachten. Stattdessen brauche es global abgestimmte Strategien und ein stärkeres Bewusstsein für die tatsächlichen Materialflüsse entlang internationaler Lieferketten. „Die Stahlindustrie ist hochgradig international verflochten. Wenn wir ernsthaft über Kreislaufwirtschaft reden, müssen wir auch global denken“, so Wiedenhofer.
Globale Stahlflüsse erstmals interaktiv sichtbar
Neben der Datenauswertung wurde im Rahmen des Projekts auch eine interaktive Webplattform entwickelt, die globale Stahlflüsse und Recyclingpfade als Sankey-Diagramme darstellt: https://steel-flows-sankey.streamlit.app
Die Anwendung ermöglicht es, die Materialflüsse von 30 der größten Stahl produzierenden Länder über zwei Jahrzehnte hinweg visuell nachzuvollziehen – ein bislang einzigartiger Einblick in die physische Realität globaler Industrieprozesse.
Nicht nur recyceln – auch reduzieren
Dominik Wiedenhofer betont, dass Recycling allein nicht ausreicht – entscheidend sei auch, den Zuwachs an neuem Stahl zu begrenzen. „Stahl ist ressourcen- und CO₂-intensiv. Wenn wir die Umweltschäden ernsthaft senken wollen, müssen wir auch über Effizienz und Suffizienz sprechen – also darüber, wie wir mit weniger Material dieselben Leistungen erbringen können. Sonst läuft die Kreislaufwirtschaft ins Leere.“
Link zur Studie „Global stagnation and regional variations in steel recycling“ https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0921344925002423
Wissenschaftlicher Kontakt
Univ.-Ass. Mag. Dr. Dominik Wiedenhofer
BOKU University
Institut für Soziale Ökologie
E-Mail: dominik.wiedenhofer@boku.ac.at