Extreme Wetterereignisse wie ein massiver Kälteeinbruch kommen zwar sehr selten vor. Treten sie aber auf, führen sie zu enormen finanziellen und humanitären Schäden. (c) pixabay

Vor einem Jahr legte Wintersturm Uri fünf Tage lang die Stromversorgung großer Teile von Texas lahm. Kraftwerke zur Erzeugung von Strom, sowie die Gasinfrastruktur hielten der Kälte nicht stand. Der ökonomische Schaden reichte in den dreistelligen Milliardenbereich. Ein Forschungsteam der BOKU Wien begab sich auf die Suche nach Ursachen für fehlende vorbeugende Maßnahmen und veröffentlichte ihre Ergebnisse nun in der renommierten Fachzeitschrift Nature Energy: Teure Präventionsmaßnahmen stellten für Kraftwerksbetreibende ein hohes finanzielles Risiko dar, denn Wetterphänomene wie diese sind selten. Nur eine Änderung des Systems kann dem vorbeugen – eine wichtige Lehre, die auch im zukünftigen Energiesystem Europas eine wichtige Rolle spielt.

Extreme Wetterereignisse wie jener Kälteeinbruch, der im Februar 2021 Texas traf, kommen sehr selten vor. Treten sie aber auf, führen sie zu enormen finanziellen und humanitären Schäden. Dennoch war das texanische Stromnetz nicht darauf ausgelegt den kalten Temperaturen zu trotzen. Der Netzbetreiber musste daher sogenannte „Rolling Blackouts“ durchführen und mehrere Millionen Verbraucher*innen vom Netz nehmen. Der ökonomische Schaden betrug bis zu 200 Milliarden Dollar. Warum aber, war die Infrastruktur nicht ausgelegt, solche Kälteereignisse zu überstehen? Dieser Frage gingen Forschende der BOKU Wien nach.

Finanzielles Risiko schreckt Investor*innen ab

„Investitionen in die Absicherung von Kraftwerken gegen Kälte bergen ein finanzielles Risiko für die Betreibenden“, erklärt Katharina Gruber vom Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Zwar könnten sie während solcher Ereignisse, wenn Stromknappheit herrscht, enorme Summen verdienen. Denn am texanischen Elektrizitätsmarkt steigen die Preise je nach Angebot auf das bis zu 200-fache der regulären Preise. Allerdings stellt die Seltenheit, mit der solche Kälteereignisse auftreten, auch ein hohes Risiko dar.

Die Forschenden fanden heraus, dass es sich für Kraftwerksbetreibende durchschnittlich fast immer lohnt in Präventionsmaßnahmen zu investieren. „Im Mittel aller erwarteten Wetterereignisse verdienen Investor*innen massiv Geld“, so Gruber, aber im Einzelfall könne man Pech haben. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 2 Prozent könne es passieren, dass in den 30 Jahren nach der Investition kein solches Ereignis auftritt. In diesem Fall würden sie ihr Geld nicht zurückverdienen. Die Autor*innen der Studie sehen dies als einen Hauptgrund dafür, dass sich Kraftwerksbetreibende gegen das Absichern ihrer Kraftwerke entschieden haben. Auch unter der Annahme steigender Temperaturen durch den Klimawandel, rentiert sich eine Investition, wenn auch mit einem noch größeren Risiko. Zudem steigen die Temperaturen zwar insgesamt an, doch das senkt die Wahrscheinlichkeit einzelner Kälteeinbrüche nicht.

Folgen für die Energiewende in Österreich

Texas verfolgt einen sehr marktnahen Ansatz bei der Finanzierung von Stromanbietern: Strom wird auf Spotmärkten gehandelt. Werden die Reservekapazitäten knapp, wenn also nur wenige Kraftwerke bereitstehen, die im Notfall einspringen können, steigt der Preis stark an. Dieser ökonomische Anreiz für Kraftwerksbetreibende soll sicherstellen, dass auch unter extremen Bedingungen genügend Kapazität zur Verfügung steht, um die Stromversorgung in jedem Fall sicherzustellen – durch den Bau neuer oder die Verbesserung existierender Kraftwerke.  Wie der Fall Texas zeigt, reicht der finanzielle Anreiz aber mitunter nicht aus. Welche Form der Regulierung für Strommärkte gewählt wird, hat auch in Europa einen erheblichen Einfluss darauf, wie die Energiewende sicher vorangetrieben werden kann.

In Österreich ist die Gefahr signifikant geringer, dass Kraftwerke durch niedrige Temperaturen ausfallen. Jedoch wird im Rahmen der Energiewende die Stromversorgung stark vom Klima abhängen, etwa durch Solar- und Windenergie. Hier kann und wird es zu einzelnen Extremen kommen. „Wir sollten uns schon jetzt Gedanken darüber machen, welche seltenen Events mit großem Impact auftreten können, welche technischen Möglichkeiten es zur Vorbeugung gibt und wie wir damit umgehen – ob marktbasiert oder übergeordnet reguliert“, so Koautor Johannes Schmidt. Diesen Fragestellungen wird sich das Team in ihrer künftigen Forschungsarbeit widmen.

Die Studie ist aktuell im Fachmagazin Nature Energy erschienen:
nature.com/articles/s41560-022-00994-y

Kontakt
Assoc.Prof. Dr.nat.techn. Johannes Schmidt
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung
E-Mail: johannes.schmidt@boku.ac.at
Tel.: +43 1 47654 73118