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In einer neuen Studie drängen Landnutzungswissenschaftler*innen die politischen Entscheidungsträger*innen zu neuen Ansätzen, um den Klimawandel, die biologische Vielfalt und andere globale Krisen zu bewältigen.

Der neue Bericht, der heute in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht wurde, ist ein Aufruf zum Handeln. „Ten Facts about Land Systems for Sustainability“ wurde von 50 führenden Landnutzungswissenschaftler*innen aus 20 Ländern verfasst und bietet konkrete Beispiele, die politischen Entscheidungsträger*innen und der Öffentlichkeit helfen zu verstehen, was bei der aktuellen, globalen Entwicklung auf dem Spiel steht.

„Globale Vereinbarungen zum Klimawandel, zur biologischen Vielfalt und zur Entwicklung konzentrieren sich zunehmend auf die Landbewirtschaftung als Lösung für eine lange Liste von Herausforderungen“, sagte Ariane de Bremond, Geschäftsführerin des Global Land Programme, das die Autor*innen zur Erstellung der Studie einlud.

„Der Boden steht im Mittelpunkt der Wechselbeziehungen zwischen Natur und Gesellschaft. Er wird von Umweltveränderungen beeinflusst - und treibt diese voran. Der Boden kann Teil nachhaltiger Lösungen sein, dieses Potenzial ist jedoch durch die vielen Funktionen, die Landökosysteme erfüllen, sehr begrenzt“, betont Co-Autor Karlheinz Erb vom Institut für Soziale Ökologie an der Universität für Bodenkultur Wien. „Straßen und Siedlungen bedecken zwar nur einen relativ kleinen Teil der Landfläche, aber ihre Auswirkungen sind weitreichend“, ergänzt Co-Autor Helmut Haberl, ebenfalls vom Institut für Soziale Ökologie (BOKU).

Die zehn Fakten, die in der Studie beschrieben werden, fokussieren auf die Beziehung der Menschen zum Land selbst auf einer physischen Ebene sowie auf die sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, ökologischen und spirituellen Auswirkungen der Art und Weise, wie und von wem Landnutzungsentscheidungen getroffen werden.

Die zehn Fakten, die von den Co-Autor*innen der Studie gemeinsam identifiziert wurden, sind:

  1. Die Bedeutung und Werte von Land sind sozial konstruiert und umstritten. Verschiedene Gruppen legen unterschiedlichen Wert darauf, was Land nützlich oder kulturell wichtig macht, und wann Land als degradiert betrachtet wird. Top-down politische Maßnahmen sind oft in einem vorherrschenden Wertesystem verwurzelt.
  2. Landnutzungssysteme sind komplex und weisen oft abrupte, schwer vorhersehbare Veränderungen auf. Politische Maßnahmen sollen in der Regel ein bestimmtes Problem lösen, scheitern jedoch oft, weil sie die Komplexität der Systeme ignorieren. Die isolierte Behandlung eines Problems kann zu unbeabsichtigten Schäden für Natur und Menschen führen.
  3. Irreversible Veränderungen und Pfadabhängigkeiten sind gemeinsame Merkmale von Landnutzungssystemen. Der Wechsel von einer Landnutzung in eine andere, wie etwa die Rodung von alten Wäldern, führt zu Veränderungen, die Jahrzehnte bis Jahrhunderte später zu spüren sind. Renaturierungen bringen Land selten in einen Zustand zurück, der wirklich den ursprünglichen Bedingungen entspricht.
  4. Einige Landnutzungen haben zwar einen geringen Fußabdruck, aber sehr große Auswirkungen. Städte zum Beispiel verbrauchen große Mengen an Ressourcen, die oft anderswo auf riesigen Landflächen produziert werden. Städte können jedoch auch negative Auswirkungen verringern, indem sie die Bevölkerung auf einer relativ kleinen Fläche konzentrieren. Nettoauswirkungen lassen sich oft schwer messen und vorhersagen.
  5. Treiber und Auswirkungen von Landnutzungsänderungen sind global miteinander verbunden und wirken sich auf entfernte Orte aus. Aufgrund der Globalisierung kann die Landnutzung von weit entfernt lebende Menschen, wirtschaftliche Faktoren, politische Maßnahmen, Organisationen und Entscheidungen die Landnutzung an einem anderen Ort beeinflussen.
  6. Wir leben auf einem intensiv genutzten Planeten, auf dem das gesamte Land den Gesellschaften von Nutzen ist. Menschen bewohnen, nutzen oder bewirtschaften direkt mehr als drei Viertel der eisfreien Fläche der Erde. Selbst unbewohntes Land ist auf unterschiedliche Art mit den Menschen verbunden; nirgendwo ist eine Änderung der Landnutzung frei von Kompromissen.
  7. Landnutzungsänderungen sind in der Regel mit Abwägungen zwischen verschiedenen Vorteilen verbunden. "Win-Win"-Situationen sind selten. Die Landnutzung bietet eine Reihe von Vorteilen wie Nahrung, Holz und sakrale Gebiete. Aber sie geht oft auch mit Kompromissen für die Natur und einige lokale Gemeinschaften einher. Landnutzungsentscheide sind mit Werturteilen verbunden, die bestimmen, welche Vorteile priorisiert werden sollen und für wen.
  8. Landbesitz- und Landnutzungsansprüche sind oft unklar, überschneiden sich und sind umstritten. Nutzungs- und Zugangsrechte zu Land können sich überschneiden, verschiedenen Personen gehören oder sich auf verschiedene Arten des Zugangs beziehen, wie bei Eigentums- oder Nutzungsrechten.
  9. Nutzen und Lasten von Land sind ungleich verteilt. In den meisten Ländern der Welt besitzt eine kleine Anzahl von Menschen einen unverhältnismäßig großen Teil an Landfläche und Bodenwert.
  10. Landnutzende haben vielfältige, manchmal widersprüchliche Vorstellungen davon, was soziale und ökologische Gerechtigkeit bedeutet. Es gibt keine alleinige Form der Gerechtigkeit, die für alle gleichermaßen fair ist. Gerechtigkeit bedeutet für verschiedene Menschen unterschiedliche Dinge. Diese gehen von der Anerkennung des Anspruchs indigener Gruppen auf Land über die Auswirkungen auf künftige Generationen bis hin zu den Systemen, mit denen bestimmt wird, wessen Ansprüche Vorrang haben.

Diese Tatsachen beeinflussen die Wirksamkeit und die sozialen und ökologischen Auswirkungen von politischen Maßnahmen und Entscheidungen, die Land betreffen, vom Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel über die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln bis hin zur biologischen Vielfalt und der menschlichen Gesundheit.

Die Autor*innen ermutigen die politischen Entscheidungsträger, anzuerkennen, dass Kompromisse viel häufiger vorkommen als Lösungen, bei denen alle gewinnen. Politische Maßnahmen, die diese Dynamik und die Bedeutung einer ständigen Neubewertung ausdrücklich anerkennen, wahrscheinlich zu gerechteren Ergebnissen führen.

Die Verwaltung der Landnutzung kann verbessert werden, indem unklare und sich überschneidende Ansprüche auf Landrechte und -besitz anerkannt und Systeme entwickelt werden, die die Rechte und Perspektiven von Randgruppen berücksichtigen.

„Es ist an der Zeit, über das Streben nach einer 'nachhaltigen Landnutzung' hinauszugehen und stattdessen darüber nachzudenken, wie man 'Nachhaltigkeit durch Landnutzung' erreichen kann“, so Patrick Meyfroidt, der Hauptautor der Studie und Professor an der UCLouvain in Belgien abschließend. „Wir hoffen, dass diese Fakten und ihre Auswirkungen eine solidere Grundlage für die dringend benötigten Gespräche über Landnutzung und Nachhaltigkeit bei der Entwicklung einer globalen Politik bilden können."

Link zur Studie: https://www.pnas.org/content/119/7/e2109217118

Weitere Informationen auf http://glp.earth 

Kontakt:

Univ.Prof. Dr. Helmut Haberl
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Soziale Ökologie
Email: helmut.haberl(at)boku.ac.at
Telefon: +43-699-19130591