(c) Pixabay

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Weniger Fleisch zu konsumieren ist notwendig. Noch besser ist es, die Fleischabsatzmenge auf allen Stufen der Lieferkette gerecht und demokratisch zu reduzieren.

Die Umweltauswirkungen von Fleisch und Tierprodukten sind nicht nur den Konsument*innen zuzuschreiben, wie ein Forschungsteam unter Leitung der Universität für Bodenkultur Wien in einer soeben erschienen Studie argumentiert. Dass die Produktion und der Konsum in westlichen Ländern wie Österreich derart hoch sind, sei die Folge von politischen und ökonomischen Entscheidungen, die alle Stufen der Lieferkette von Futtermitteln, Fleisch und Tierprodukten beeinflussen.

Nutztiere leisten wichtige Dienste für die Menschen, aber in vielen Ländern gibt es eine zahlenmäßig zu hohe und zu intensive Nutztierhaltung, was dramatische Folgen für Ökosysteme hat und zum Verlust der Biodiversität, zu Entwaldung sowie Boden- oder Wasserverschmutzung führt.

Nicht nur die Konsument*innen

„Ich höre oft, dass das übermäßige Wachstum der Viehzucht in den vergangenen Jahrzenten daran liege, dass Konsument*innen wohlhabender geworden seien, was deren Lust auf Fleisch und tierische Produkte wie Milch und Eier ankurbelte. Dies ist aber eine zu starke Vereinfachung der Prozesse, die das Wachstum und die Intensivierung der Nutztierhaltung antreiben“, so Nicolas Roux vom Institut für Soziale Ökologie (SEC) der BOKU, der die Studie geleitet hat.

Seit dem 2. Weltkrieg zielte die Politik in den Industrieländern darauf ab, die Produktion und Industrialisierung der Viehzucht zu steigern. Das erste Ziel der gemeinsamen Agrarpolitik der EU ist beispielsweise die Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft, einschließlich der Tierproduktion. Außerdem zahlen OECD-Staaten jährlich insgesamt 52 Milliarden Dollar an Subventionen, um die Produktion von Futtermitteln und tierischen Produkten zu unterstützen. Seit den 1980er-Jahren kurbelten Deregulierung und die groß angelegte Übernahme der Gentechnik durch große Agrarunternehmen die Produktion und den Export von Sojabohnen in Südamerika an.

Die Handelsliberalisierung wurde auch zum wichtigen Motor der Ernährungsumstellungen, indem sie die Verfügbarkeit von Futtermitteln und tierischen Produkten erhöhte und diese erschwinglicher machte. Schließlich trugen Marketingkampagnen der Viehwirtschaft und der Regierungen dazu bei, diese erhöhte Produktion für die Konsument*innen attraktiv zu machen. Eine von Greenpeace geleitete Studie ergab beispielsweise, dass die EU zwischen 2016 und 2020 252,4 Millionen Euro ausgegeben hat, um den Absatz europäischer Fleisch- und Milchprodukte zu fördern. Die Zunahme der Viehwirtschaft und die damit verbundenen Umweltbelastungen lassen sich daher nicht nur auf die Entscheidungen der Endkonsument*innen zurückführen, sondern vielmehr auf ein jahrzehntelanges Paradigma zur Steigerung der Absatzmenge von tierischen Produkten, entlang allen Stufen der Viehversorgungskette wie Futterproduktion, Viehzucht, Handel und Einzelhandel.

Druck auf Ökosysteme

Roux und seinen Kolleg*innen schlagen in ihrer Studie einen Rahmen vor, der empirische Analysen ermöglicht, indem der Druck auf Ökosysteme entlang verschiedener Schritte der globalen Lieferketten von Futtermittel und Nutztieren quantifiziert wird. Ein Ergebnis der Studie ist, dass rund zwei Drittel des globalen Drucks auf Ökosysteme und Biodiversität, der durch die Landwirtschaft entsteht, auf Viehhaltung zurückzuführen ist. Besonders in vielen westlichen Ländern wie Österreich übersteigt die Produktion und der Konsum von Fleisch und tierischen Produkten die Nachhaltigkeits- und Gesundheitsempfehlungen. In Österreich wird 60% des Druckes auf Ökosysteme, der mit Konsum von Fleisch, Milchprodukten und Eiern verbunden ist, heimisch ausgeübt. Der Rest ist den Importen von Futter und Tierprodukten zuzuschreiben, besonders Sojabohnen aus Südamerika, die österreichischen Schweinen verfüttert werden – so wie Rindfleisch, Milchprodukte und Schweinefleisch aus Nachbarländern wie Deutschland und Ungarn. Umgekehrt dient die Hälfte des viehbezogenen Drucks auf Ökosysteme, der in Österreich ausgeübt wird, den Exporten von Futter und Tierprodukten.

Tierische Produkte, selbst mit den bestmöglichen Verfahren hergestellt, erzeugen bei gleichen Nährwerten immer noch höhere ökologische Auswirkungen als pflanzliche Lebensmittel. Die Einhaltung ehrgeiziger Klima- und Biodiversitätsziele erfordert daher die Reduzierung der Viehbestände und der Absatzmenge in überproduzierenden und überkonsumierenden Ländern.

Alle Ebenen der Lieferkette notwendig

„Lokale und effizientere Lieferketten allein reichen nicht. Wir brauchen Genügsamkeit, also weniger tierische Produkte. Oft wird argumentiert, dass Produzenten effizienter sein müssen und Konsument*innen weniger konsumieren sollen. Diese Argumentation macht keinen Sinn! Konsument*innen beeinflussen auch die Effizienz, etwa indem sie Bio-Produkte kaufen und Produzent*innen haben auch einen großen Einfluss auf die Menge an Tierprodukten, besonders wenn sie durch politische und wirtschaftliche Antreiber forciert werden. Letztendlich müsste allen klar sein, dass der Absatz durch beides, also Nachfrage und Angebot, bestimmt wird; oder besser gesagt: durch Entscheidungen, die alle Ebenen der Lieferkette betreffen“, erklärt Roux.

Ernährungsgewohnheiten der Konsument*innen wären zwar auch wichtig, dennoch sei es fraglich, ob freiwillige oder angestoßene verbrauchergesteuerte Veränderungen schnell genug wirken können, um den Klima- und Biodiversitätskrisen entgegenzuwirken. Dennoch wird die verbraucherorientierte Erzählung oft bevorzugt, weil sie nicht auf bestimmte Wirtschaftsakteur*innen abzielt. Diese geht jedoch implizit davon aus, dass Änderungen in der Konsument*innennachfrage zum Produzenten durchsickern, die Produktion tierischer Produkte durch härteren Wettbewerb reduzieren und daher die Vertreibung weniger wettbewerbsfähiger, potenziell kleiner oder weniger industrialisierter Landwirte bewirken, was die Frage der Gerechtigkeit stellt. Das Thema der gerechten Reduzierung ist für Österreich besonders wichtig, um Landwirt*innen mit beschränkten Alternativen nicht zu schädigen, beispielsweise in Bergregionen in denen Viehhaltung manchmal kaum durch anderes Einkommen ersetzbar ist.

Weniger Fleischkonsum dennoch wichtig

„Dies soll auf keinen Fall Konsument*innen davon abhalten, ihren Konsum an Fleisch und Tierprodukten zu reduzieren. Es sollte nur nicht die volle Verantwortung auf den Schultern der Konsument*innen gelegt werden. Landwirt*innen, Schlachthäuser, Ernährungskonzerne oder Supermärkte brauchen auch Regulierung, Anreize und Unterstützung, um auf pflanzliche Produkte umzustellen“, betont Roux.

Diese Idee hat sich auch schüchtern in politischen Vorschlägen gezeigt. Nachdem niederländische Aktivist*innenbewegungen ihre Regierung verklagt hatten, weil sie ihre Klimaziele nicht erreicht hatte, waren die Niederlande unseres Wissens das erste Land, das einen politischen Vorschlag zur Reduzierung der ökologischen Auswirkungen des Viehsektors durch eine Kürzung der Viehproduktion um 30 % vorlegte. Aus diesen Vorläuferbeispiel könne man lernen. Wichtig wäre zum Beispiel, dass die Regierung jene Landwirt*innen unterstützt die zu pflanzliche Landwirtschaft zwar wechseln wollen, aber in intensive Systeme mit vielen Tieren und Schulden eingesperrt sind.

„Wir können den Wandel zu pflanzlicher Ernährung fair gestalten: lasst uns aufhören, das Ziel der Reduzierung der Produktion hinter einer Verbrauchererzählung zu verschleiern; erkennen wir an, dass die Umstellung für Landwirt*innen schwierig sein wird! Dadurch werden Diskussionen darüber eingeleitet, in denen demokratisch entschieden wird wie der Landwirt*innen beim Übergang unterstützt werden können, bevor der Markt allein bestimmt wer überlebt und wer nicht,“ so Roux.

Link zur Studie

Roux, Nicolas, Lisa Kaufmann, Manan Bhan, Julia Le Noe, Sarah Matej, Perrine Laroche, Thomas Kastner, Alberte Bondeau, Helmut Haberl, and Karlheinz Erb.

Embodied HANPP of Feed and Animal Products: Tracing Pressure on Ecosystems along Trilateral Livestock Supply Chains 1986–2013’. Science of The Total Environment, 24 August 2022, 158198.

https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.158198.

Wissenschaftlicher Kontakt:

Nicolas Roux, MSc.
Institut für Soziale Ökologie (SEC)
Universität für Bodenkultur Wien
Tel.: 01 47654 – 73735
Mail: nicolas.roux(at)boku.ac.at