Abwasserwärme besitzt ein bisher ungenutztes, jedoch großes umweltfreundliches Potential. Die abwassertechnische Infrastruktur könnte künftig in die regionale Energieversorgung eingebunden werden und ein weiterer Baustein der Energiewende sein.

Auf der Suche nach erneuerbaren Energiequellen gelangte in den letzten Jahren auch das Abwasser als mögliche Ressource vermehrt in den Fokus. Das Vorhandensein eines relevanten Potenzials wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass die Europäische Kommission Ende 2018 in der Neufassung der Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen Abwasser explizit als eine solche anerkannt hat.

Es stellt sich somit die Frage, welche Rolle Abwasser als Baustein einer künftigen Energie- beziehungsweise Wärmeversorgung spielen kann. Dabei sind vor allem folgende Aspekte von zentraler Bedeutung: Welche Arten von Energie können aus dem Abwasser bereitgestellt werden? In welchen Dimensionen liegen diese vor? Welche aktuellen und künftigen Nutzungsoptionen sind denkbar? Welche Chancen bieten sich daraus abseits des Klimaschutzes? Diesen Fragen gingen die Vortagenden und Diskussionsteilnehmer*innen am Dienstag, dem 18. Jänner 2022, bei der Veranstaltung „Abwasserenergie als Baustein einer künftigen Wärmeversorgung“ des BOKU-Energieclusters nach.

Thomas Ertl, Vorstand des Instituts für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz (BOKU) betonte, dass sich die Abwasserwirtschaft in Österreich seit vielen Jahren bemühe, ihre Anlagen im Sinne der Energieeffizienz und der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen zu optimieren. „Die Einbindung der abwassertechnischen Infrastruktur in die lokale und regionale Energieversorgung kann gelingen, bei gleichzeitiger Gewährleistung der Erfüllung eines ausgezeichneten Gewässerschutzes als prioritäre Aufgabe der Abwasserwirtschaft“, sagte Ertl.

Dazu ist eine transdisziplinäre Herangehensweise erforderlich. „Lösungsansätze aus der Perspektive einer einzigen Fachrichtung werden den Herausforderungen unserer Zeit in der Regel nicht mehr gerecht“, so Florian Kretschmer, Senior Scientist am selben Institut, in seinem Vortrag. „Die Welt wurde komplexer, die Antwort darauf können nur ganzheitliche, branchenübergreifende Konzepte sein. Die Nutzung der Abwasserenergie ist ein gutes Beispiel dafür.“

Georg Neugebauer vom Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung (IRUB) der BOKU unterstrich, dass „mit der Erschließung bisher ungenutzter Wärmepotentiale die energetische Nutzung des Abwassers zur Steigerung raumstruktureller Energieeffizienz beiträgt.“ Die Nutzung der im Abwasser enthaltenen thermischen Energie unterstütze die Energiewende und leiste einen Beitrag zum Klimaschutz. „Dies gilt insbesondere dann, wenn die dazu erforderlichen Wärmepumpen mit Ökostrom betrieben werden“.

Die Raumplanung spielt eine wichtige Rolle bei Umstieg auf erneuerbare Energien spielt, so auch bei der Nutzung von Abwasser zur Wärmegewinnung. „Raumplanung kann wesentliche Beiträge leisten, um die Energiewende gestalten zu können. Das Thema Abwasserenergie zeigt deutlich, wie räumliche Aspekte eine nachhaltige Energieversorgung in einer holistischen Sichtweise beeinflussen können“, lautete das Resümee von Gernot Stöglehner vom IRUB.

Ulrike Rabmer-Koller von der WKO rief in ihrem Diskussionsbeitrag in Erinnerung, dass allein im Wohnsektor 73% des Energiebedarfs für das Heizen und Kühlen inklusive Warmwasseraufbereitung benötigt werde. „Technologien zur Nutzung von Energie aus Abwasser sind innovative und effiziente Lösungen – und absolut am Puls der Zeit“, so Rabmer-Koller. Derzeit würden dazu hauptsächlich CO2-kritische Energiequellen verwendet. „Hier braucht es also dringend erneuerbare Alternativen. Mit der Abwasserwärme steht uns ein riesiges umweltfreundliches Energiepotential zur Verfügung, welches mittels modernster Wärmetauscher- und Wärmepumpentechnologie sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen eingesetzt werden kann.“

„Die aktuelle Energiemarktsituation und die dazugehörigen geopolitische Verwerfungen erinnern uns sehr heftig an die Notwendigkeit von Energiequellen, deren Verfügbarkeit garantiert und deren Preis kalkulierbar ist“, betonte Christoph Wolfsegger vom Klima- und Energiefonds. Energiegewinnung aus Abwasser habe geringe Betriebskosten – daher seien die Kosten planbar – und sei in großer Menge über ganz Österreich verteilt verfügbar. „Obendrein ist die Gewinnung auch eine Investition in den Klimaschutz. Der Klima- und Energiefonds hat daher ein neues Förderprogramm entwickelt“, so Wolfsegger abschließend.

 

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