12.10.2022 - Das LIFE-Projekt LIFE Boat 4 Sturgeon startet: Rettung von vier Störarten in der Donau
Fortführung einer Erfolgsgeschichte: Österreichs Beitrag zum Schutz der Störe in der Donau
Klimaministerin Leonore Gewessler, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, Innovationsstadträtin Ulli Sima und BOKU Rektorin Eva Schulev-Steindl haben gestern gemeinsam Störe in die Donau ausgesetzt. Das Projekt folgt auf das 2022 erfolgreich abgeschlossenen Projekt „LIFE-Sterlet“, bei dem die Universität für Bodenkultur eine Sterletaufzuchtstation auf der Donauinsel in Wien aufgebaut und insgesamt 240.000 Sterlets in die Donau ausgesetzt hat. Dadurch wurde die stark gefährdete Population dieser letzten in Österreich noch natürlich vorkommenden Stör-Art unterstützt damit sich wieder eine selbstreproduzierende Population ausbilden kann.
Das nunmehr erweiterte Ziel ist die Fortführung des aufgebauten Know-hows beim Aufbau einer schwimmenden Aufzuchtstation an der Donau in Wien. Das Schiff wird vom Projektpartner viadonau gestellt, der Liegeplatz an der Donauinsel von der Stadt Wien. Der Fokus liegt nun auf insgesamt vier Stör-Arten – zusätzlich zum Sterlet in der Oberen und Mittleren Donau sollen nun auch die Arten Waxdick, Sternhausen und Hausen in der Unteren Donau vor dem Aussterben bewahrt werden. Die geplanten Maßnahmen umfassen Haltung und Nachzucht von Elterntieren, Auswilderung von Jungfischen, Gen-Datenbanken, wissenschaftliche Begleitung, Monitoring und umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit. Die Leitung liegt bei der Universität für Bodenkultur in Wien, unter Beteiligung mehrerer Institutionen in Ungarn, Slowenien, Rumänien, Bulgarien, Slowakei und Ukraine. In Österreich ist zudem das Bundesamt für Wasserwirtschaft (IGF Scharfling) beteiligt.
Laufzeit ist Herbst 2022 bis Ende 2029, das Projektvolumen beträgt insgesamt 11,8 Mio. Euro (67% LIFE Finanzierung), den Großteil der Kofinanzierung tragen BML und viadonau mit jeweils 1 Mio. Euro und Stadt Wien mit 500.000 Euro. Weitere Unterstützung kommt unter anderem von den Landesfischereiverbänden aus Niederösterreich, Oberösterreich und Wien, sowie vom Nationalpark Donauauen.
„Unser gemeinsames Ziel ist es seit vielen Jahren den einzigartigen Lebensraum an der Donau zu erhalten und zu schützen. Wenn wir sehen, dass Tierarten vor dem Aussterben stehen, braucht es unser entschlossenes Handeln. Ich freue mich daher umso mehr, dass im Zuge dieses breit angelegten Projekts alles unternommen wird, um vier Störarten das Überleben zu sichern“, zeigt sich Bundesministerin Gewessler von den gemeinsamen Anstrengungen erfreut.
„Mein Ressort investiert jedes Jahr in die Renaturierung von Gewässerräumen. Auch die Qualität der Donau und ihrer Lebewesen wird laufend kontrolliert und mit bewährten Projekten verbessert. Die Störe reagieren sehr empfindlich auf Umwelteinflüsse und sind daher Indikatoren für ein gesundes Flusssystem. Gleichzeitig gehören sie zu den am meisten gefährdeten Tieren der Welt. Umso mehr freue ich mich über die Fortführung der erfolgreichen Initiative. Gleichzeitig ist mir auch sehr wichtig, dass die Öffentlichkeit über die Ergebnisse informiert wird und die Fortschritte aktiv mitverfolgen kann“, betont Bundesminister Norbert Totschnig.
„Das Projekt zum Schutz des Sterlets in der Donau ist eine echte Erfolgsgeschichte. Über 240.000 wurden auf der Inselinfo unserer Magistratsabteilung Wiener Gewässer in einem Aufzuchtcontainer aufgezogen und schließlich ausgewildert, seither wurden auch wieder erwachsende Fische in der Donau gesichtet. Ich freu mich sehr, dass diese spannende Arbeit nun fortgeführt und sogar auf andere bedrohte Störarten ausgeweitet wird – denn wir sehen, dass sich der Einsatz lohnt, Artenvielfalt und Gewässerqualität profitieren. Die Stadt Wien ist als Projektpartnerin gerne wieder mit dabei!“, betont die für die Wiener Gewässer zuständige Stadträtin Ulli Sima.
„Der Erhalt und Schutz von Lebensraum und Biodiversität ist eine Kernmission der BOKU. Seit über 40 Jahren forscht und lehrt das Institut für Hydrobiologie an der nachhaltigen Nutzung und dem Erhalt von Fließgewässerökosystemen. Störe sind die perfekten Botschafter für einen sorgsamen Umgang mit den Lebensadern unserer Landschaft. Wir freuen uns, als BOKU hier intensives Engagement im Donauraum und darüber hinaus zeigen zu dürfen.“ so Rektorin Eva Schulev-Steindl.
Störe sind stark bedroht
Störe sind aufgrund ihrer Größe, ihrer hohen Lebenserwartung und späten Geschlechtsreife, ihrer vielfältigen Lebensraumansprüche und ihres wandernden Lebenszyklus hervorragende Indikatoren für ökologisch gesunde Flüsse und Meere und erfordern somit einen ganzheitlichen Ansatz für ihre Erhaltung. Die IUCN stuft Störe als die am stärksten bedrohte Tierfamilie der Welt ein, die Ursachen liegen in der früheren Überfischung für Fleisch und Kaviar, sowie Wanderbarrieren und Habitatverlusten.
Für einen erfolgreichen Erhalt der Störe benötigt es eine umfassende Betrachtung internationaler Flusssysteme und Küstengebiete sowie ein breites Spektrum an Maßnahmen, vom Schutz der verbliebenen genetischen Diversität, der Restauration von Lebensräumen, der Durchgängigkeit von Wanderhindernissen bis zur Unterstützung der Restpopulationen durch Auswilderung von angepassten Jungfischen. Der "Paneuropäische Aktionsplan für Störe" betont dabei besonders die Notwendigkeit, bei sehr kleinen Restpopulationen genetisch diverse Muttertiere in Gefangenschaft zu halten und Nachkommen in die freie Wildbahn zu entlassen, um die Populationen zu stabilisieren, bis die Bedingungen in freier Wildbahn eine Erholung durch natürliche Reproduktion zulassen.
In der Donau sind zwei von sechs Arten bereits ausgestorben. Drei Arten werden aktuell noch vereinzelt in der unteren Donau nachgewiesen, die natürliche Vermehrung findet nur noch sporadisch statt. Die extrem kleinen Populationen können sich nicht aus eigener Kraft erholen, sondern benötigen eine Unterstützung durch das Aussetzen genetisch gesunder und vielfältiger Jungfische, die durch die Aufzucht im Flusswasser an ihre Heimatgewässer angepasst und für ein Überleben in freier Wildbahn geeignet sind.
Das übergeordnete Ziel des Projektes ist es, den Genpool der vier überlebenden Donaustörarten, Waxdick, Sterlet, Sternhausen und Hausen durch eine Muttertierhaltung und Auswilderung von Jungfischen vor dem Aussterben zu sichern.
Eckpunkte zum Projektvorhaben:
Folgende Maßnahmen sind geplant:
- Errichtung des "LIFE-Boat 4 Sturgeons", einer schwimmenden Aufzuchtstation, verankert an der Donauinsel in der Donau in Wien, zur Haltung von Mutterfischen und zur Aufzucht von Jungtieren
- Einrichtung für die Haltung von Muttertieren am Koros in Ungarn
- Aufzuchtcontainer am Ufer der Mur in Slowenien
- Haltung von donaustämmigen Muttertierbeständen an mehreren Standorten
- Reproduktion, Aufzucht und Auswilderung von Jungfischen nach dem neuesten Stand der Technik
- Aufbau einer Genetik Datenbank um größtmögliche Diversität langfristig zu erhalten
- Auswilderung von 1,6 Mio. Jungtieren der verschiedenen Arten in unterschiedliche Donauabschnitte
- Modernes und umfangreiches Monitoringprogramm in Zusammenarbeit mittels Umwelt-DNA und Mark-Recapture Untersuchungen
- Umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung durch Soziale Medien, Events und Führungen für Schulklassen
- Forschungsaktivitäten zur Vertiefung des Wissens zum erfolgreichen Erhalt der aquatischen Biodiversität
„Störe sind 200 Millionen Jahre alte lebende Fossilien. In nur 200 Jahren haben wir sie an den Rand des Aussterbens gebracht. Es ist unsere gesellschaftliche Pflicht, diese faszinierenden Lebewesen für künftige Generationen zu erhalten. Das Zusammenspiel aus Erhalt der genetischen Diversität durch Mutterfischhaltung und Auswildern von Jungfischen, der Wiederherstellung der Wanderrouten und des Lebensraumes, der Forschung und Ausbildung sowie der Schaffung eines Bewusstseins für die Thematik in der Bevölkerung ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. “ so der Projektleiter Thomas Friedrich.
Rückfragehinweis für Medien:
Thomas Friedrich
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Hydrobiologie & Gewässermanagement
Projektleitung LIFE Boat4Sturgeon
Telefon: 0650 4507428
E-Mail: thomas.friedrich(at)boku.ac.at