Öl ist leichter als Wasser und wenn eine Ölpipeline im tiefen Ozean leckt, dann steigt es nach oben. Neue Experimente und Computersimulationen eines Teams des Instituts für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung (IWA) der BOKU University zeigen, dass das Öl auf dem Weg nach oben schnell in kleine Tröpfchen zerfällt, und zwar durch den Einfluss turbulenter Wirbel, die als „Rayleigh Taylor“-Turbulenz bekannt sind. Auf kleinem Maßstab werden diese Wirbel durch Kapillarwellen an der Tröpfchenoberfläche verstärkt, was wiederum kleinere Öltröpfchen hervorbringen kann. Dieser Vorgang hat entscheidende Auswirkungen auf die bakterielle Abbaurate des Öls, zumal kleine Tröpfchen eine optimale Angriffsfläche für Mikroben bieten und von diesen schnell zu erreichen sind.

Lecks in marinen Öl- oder Gaspipelines verursachen ökologische Schäden und belasten das Klima. Wie schwerwiegend der Schaden ausfällt, hängt unter anderem davon ab, wie sich das Öl im Wasser verteilt, während es aufsteigt. Zwei britische Physiker, Lord Rayleigh und Sir G.I. Taylor, haben vor etwa einem Jahrhundert die nach ihnen benannte hydrodynamische Instabilität beschrieben, die entsteht, wenn eine instabile Schichtung zweier Flüssigkeiten – das heißt, eine schwere Flüssigkeit ruht auf einer leichten – vorliegt: kleinste Störungen an der Grenzschicht wachsen schnell an und formen pilzförmige Ausstülpungen der Flüssigkeiten ineinander. Während diese beschleunigen, bilden sich chaotische Wirbelstrukturen aus, die als „Rayleigh Taylor“-Turbulenz bekannt sind. Diese Verwirbelungen sorgen für eine effiziente Vermischung der beiden Flüssigkeiten. Was passiert, wenn die Flüssigkeiten nicht mischbar sind, wie Öl in Wasser, war bis vor kurzem nicht ganz klar.

Ein Team unter der Leitung von Markus Holzner vom Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung (IWA) der BOKU University hat nun gezeigt, dass sich auf großem Maßstab turbulente Wirbelstrukturen ausbilden, die das Öl in Emulsion bringen, also als Tröpfchen im Wasser verteilen. „Wir haben dafür neuartige Experimente durchgeführt, die es erlauben, mittels sorgfältiger Auswahl zweier transparenter, nicht mischbarer Flüssigkeiten störende Lichtbrechungen an deren Grenzflächen zu vermeiden und die Tröpfchenbildung mit Hochgeschwindigkeitskameras zu quantifizieren. Außerdem haben wir mittels hochauflösender numerischer Berechnungen verschiedene Flüssigkeitskombinationen simuliert sowie die bakterielle Abbaurate des Öls berechnet”, erläutert Holzner.

Kapillare Turbulenzen bewirken Aufspaltung in kleine Tröpfchen

Zum ersten Mal konnten die Wissenschaftler kapillare Turbulenzen an der Tröpfchenoberfläche nachweisen. Diese Turbulenz wird durch nicht-lineare Wellen an der Tröpfchenoberfläche verursacht und bewirkt ihre weitere Aufspaltung in kleinste Tröpfchen. Eine theoretische Analyse der Autoren zeigt, dass diese kapillare Turbulenz auftritt, wenn das Größenverhältnis zwischen den größten Öltropfen und den kleinsten turbulenten Wirbeln groß genug ist. „Dieses Verhältnis lässt sich anhand der Flüssigkeitseigenschaften, und zwar Dichte, Oberflächenspannung und Viskosität, berechnen“, erklärt Holzner, „und legt offen, dass diese Bedingung für Öllecks im Meer typischerweise erfüllt ist.“

Studie ermöglicht genauere Berechnungen der bakteriellen Abbaurate

Viele kleine Tröpfchen bieten wesentlich mehr Angriffsfläche für ölabbauende Bakterien als weniger große, außerdem sind sie von den Bakterien schneller zu erreichen. Die numerischen Berechnungen des Teams haben ergeben, dass anhand der in der turbulenten Strömung gemessenen Tröpfchenverteilung die Abbaurate wesentlich schneller ist, als klassische Modelle voraussagen würden. Letztere vernachlässigen nämlich den Einfluss der Turbulenz, was zu einer Überschätzung der Tröpfchengröße und Abbaudauer führt. „Unsere Berechnungen haben gezeigt, dass klassische Modelle die Abbaudauer sogar um bis zu 400% überschätzen. Unser Ansatz bedeutet also eine wesentliche Verbesserung der Genauigkeit, was sehr wichtig ist, um die ökologischen Auswirkungen von Pipeline-Lecks abschätzen oder Sanierungsmaßnahmen korrekt planen zu können.“ Die Ergebnisse der Studie wurden soeben in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.

Neue Gruppe „Umweltströmungsdynamik“ im BOKU-RiverLab

Markus Holzner hat sich mit seinem Team vor kurzem dem Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung im Wasserbaulabor angeschlossen. Der gebürtige Südtiroler war vormals Swiss National Science Foundation (SNSF) Professor am Institut für Umweltingenieurwesen der ETH Zürich und Gruppenleiter an der Eawag und WSL, zweier Forschungsinstitute des ETH-Bereichs. Seither hat er neue Forschungslinien in der Umweltströmungsdynamik aufgebaut, die natürliche und anthropogene Interaktionen mit biologischen Systemen untersuchen, sei es mit Versuchen zu Turbulenzphänomenen in Zusammenhang mit Sedimenten in Flüssen oder aquatischen Organismen im Ozean.

Im Dezember 2023 hat er eine Laufbahnstelle im Bereich „Umweltströmungsdynamik“ am IWA angetreten. „Wir haben hier im neuen Labor von Prof. Habersack beste Rahmenbedingungen für unsere Forschung und freuen uns darauf, bald auch neue Experimente in größerem Maßstab durchzuführen, die naturgetreuer und dadurch noch aussagekräftiger ausfallen werden. Außerdem freuen wir uns sehr auf die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen im Institut“, betont Holzner. Der Leiter des Instituts, Prof. Helmut Habersack, freut sich über den wissenschaftlichen Zuwachs: „Prof. Holzner ist ein exzellenter Forscher. Er verstärkt unser Institut in der Turbulenzforschung und der experimentellen Analyse von Umweltströmungen und ich sehe starke Synergien zwischen seiner Forschung und den Schwerpunkten unseres Instituts“. Holzners Stelle wurde in Zusammenhang mit einem Kooperationsabkommen zwischen der BOKU und dem Institute of Science and Technology Austria (ISTA) geschaffen. „Ich freue mich, dass wir über dieses Abkommen eine Kooperation mit dem ISTA aufbauen können und dank der neuen Laufbahnstelle in Umweltströmungsdynamik die Forschungszusammenarbeit verstärken,“ betont BOKU-Rektorin Eva Schulev-Steindl.

Zur Publikation:

Stefano Brizzolara, Robert Naudascher, Marco Edoardo Rosti, Roman Stocker, Guido Boffetta, Andrea Mazzino and Markus Holzner (2024) Immiscible Rayleigh-Taylor turbulence: implications for bacterial degradation in oil spills. Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 121 (11) e2311798121. https://doi.org/10.1073/pnas.231179812

Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Markus Holzner, MSc.
Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung (IWA)
BOKU University
Mail: markus.holzner(at)boku.ac.at
Tel.: +43 1 47654 - 81945