(c) Andrea Battisti / Universität Padua

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Ein Internationales Forscher*innenteam unter der Leitung von Martin Schebeck von der BOKU University konnte nun zeigen, dass Insekten in Wäldern vielfältige Strategien entwickeln, um Winter, aber auch Hitze und Trockenheit im Sommer zu überstehen – dies erklärt das räumliche und zeitliche Auftreten von Insekten.

Insekten sind Meister der Anpassung. Sie haben im Laufe der Jahrmillionen eine Vielzahl von Lebensräumen erschlossen und kommen in vielfältigen Habitaten auf allen Kontinenten der Erde vor. In diesen Lebensräumen sind Insekten schwankenden Umweltbedingungen ausgesetzt. So kommen bei manchen Arten Paarungspartner nur während eines kleinen Zeitfensters im Jahr vor, Nahrungsquellen sind nur in bestimmten Phasen verfügbar oder aber es gibt unwirtliche Jahreszeiten, während denen Insekten einem hohen Sterberisiko ausgesetzt sind.

In gemäßigten Breiten sind die Wintermonate eine kritische Phase für viele Insekten. Auch wenn die Winter aufgrund der Klimakrise immer wärmer werden, stellen kalte Temperaturen für Insekten (deren Körpertemperatur gleich der Umgebungstemperatur ist) einen bedeutenden Mortalitätsfaktor dar. Des Weiteren nehmen viele Insekten während des Winters keine Nahrung zu sich, wodurch sie während dieser Zeit von Energiereserven zehren müssen. Um ihr zeitliches Auftreten optimal zu planen, und somit wichtige Ressourcen so effizient wie möglich zu nutzen, jedoch ungünstige Bedingungen überleben zu können, treten Insekten in Ruhephasen ein. Eine spezielle Form der Ruhephase ist eine sogenannte Diapause. Diapausierende Insekten stoppen ihre Entwicklung (etwa von einer Larve zu einer Puppe), senken Aktivität und Stoffwechselrate, um Energie zu sparen, erhöhen ihre Resistenz gegen widrige Einflüsse wie Kälte und stellen ihr Fortpflanzungsvermögen ein.

Wann auf Sparflamme?

Wie wissen nun Insekten, wann sie ihr Leben auf Sparflamme und Überleben ausrichten müssen? Manche Arten nutzen Umweltsignale, die darauf hinweisen, dass eine ungünstige Phase bevorsteht. Ein häufig genutztes Signal ist die Tageslichtlänge: Wird ein gewisser Schwellenwert unterschritten, werden Stoffwechsel und der Hormonhaushalt umgestellt und das Diapause-Programm gestartet. Ist das Programm einmal in Gang gesetzt, gibt es keinen Weg zurück. Interessanterweise werden Umweltreize, wie die Tageslichtlänge, die das Diapause-Programm auslösen, schon im Spätsommer (also lange bevor der Winter beginnt) wahrgenommen. Das hilft den Insekten, genügend Zeit zur Vorbereitung zu haben, während dieser Energiereserven gefüllt oder das Stresslevel hochgefahren werden können. Der Vorteil, die Tageslichtlänge als Zeitgeber für Umweltveränderungen zu nutzen ist, dass diese über lange Zeiträume hinweg stabil bleibt, anders als die Temperatur, die jedes Jahr stark schwanken kann. Andere Insekten wiederum prägen unabhängig von Umweltsignalen ihre Diapause aus, das heißt, ihre „innere Uhr“ folgt einem strengen genetischen Programm, das unabhängig von äußeren Reizen abläuft.

Die Diapause-Strategie (abhängig versus unabhängig von Umweltreizen) hat auch Auswirkungen auf das Fortpflanzungsvermögen, da während der Diapause Entwicklungs- und Reproduktionsprozesse eingestellt werden: Arten mit einer Umwelt-abhängigen Diapause können so lange neue Nachkommen und Generationen produzieren, bis das Umweltsignal die Diapause auslöst. Umwelt-unabhängig diapausierende Arten können sich nur einmal pro Jahr fortpflanzen. Eine weitere wichtige Funktion der Diapause liegt in der Synchronisation von Individuen einer Art: wenn alle auf dieselben Umweltreize reagieren, dann treten alle zur selben Zeit in die Diapause ein (und kommen aus dieser im folgenden Frühling auch wieder heraus). Somit schaffen es Insekten, zur selben Zeit am selben Ort Paarungspartner oder Nahrungspflanzen zu finden.

Martin Schebeck vom Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz der BOKU University hat nun mit einem internationalen Autor*innen-Team in der Fachzeitschrift Trends in Ecology and Evolution eine Übersichtsarbeit zur Diapause bei Insekten in Waldökosystemen veröffentlicht. Insekten sind in Wäldern von herausragender Bedeutung, sie fressen und bestäuben Pflanzen, verbreiten Samen, bauen Biomasse ab oder ernähren sich von anderen Tieren.

Vielfältige Überlebensstrategien

In ihrem Artikel konnten Schebeck und seine Kolleg*innen zeigen, dass Insekten in Waldökosystemen eine große Vielfalt von Diapause-Strategien ausprägen, nicht nur um den Winter zu überleben, sondern auch Trockenheit und Hitze während des Sommers. Diese Informationen sind insofern wichtig, als sie das räumliche und zeitliche Auftreten von Insekten erklären. „Dadurch können etwa die Verbreitung und die Häufigkeit einer Art in einem spezifischen Kontext verstanden und somit Schutz- und Managementmaßnahmen geplant werden“, so Schebeck.

Diapausierende Insekten sind auch von der Klimakrise betroffen. So kann es passieren, dass höhere Wintertemperaturen, trotz einer Stoffwechselreduktion, zu einem schnelleren aufbrauchen von Energiereserven führen. Des Weiteren reagieren pflanzenfressende Insekten und ihre Nahrung oft auf unterschiedliche Reize: einer davon ist zum Beispiel vom Klimawandel betroffen (Temperatur), der andere nicht (Tageslichtlänge): dadurch geraten fein abgestimmte Akteure in einem Nahrungsnetzwerk außer Takt. Zusätzlich führt die Urbanisierung und Versiegelung von Flächen dazu, dass sogenannte „heat islands“ in Städten entstehen und die Insekten, die mit Bäumen assoziiert sind, noch mehr unter Druck und aus dem Rhythmus geraten.

Zusammenfassend betont Schebeck: „Wir brauchen mehr Informationen zur Biologie von Insekten und Umweltdaten in hoher Auflösung, um die Auswirkungen des Klimawandels und von Lebensraumveränderungen auf Insekten verstehen zu können und in Folge genaue Prognosen zu deren zeitlich-räumlichen Auftreten, deren Gefährdung und Auswirkungen auf Ökosysteme treffen zu können.“

Zur Publikation:
Schebeck M. et al. 2024: Seasonality of forest insects: why diapause matters. Trends in Ecology & Evolution. doi.org/10.1016/j.tree.2024.04.010

https://authors.elsevier.com/sd/article/S0169-5347(24)00110-1

Wissenschaftlicher Kontakt:
Priv.Doz. Dr. Martin Schebeck, MMSc.
Institut für Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz
BOKU University
martin.schebeck(at)boku.ac.at
T.: +43 1 47654 – 91617