29.12.2025 - Satellitendaten, Laserscanning-Punktwolken und UNESCO-Landschaften: FFG-Projekt „SEMONA reloaded“ zeigt, was Geodaten heute können
Fotos: © Stadt Wien/Christian Fürthner
Wie verändert sich der Wald im Biosphärenpark Wienerwald? Wie weit sind Trockensteinmauern in der Wachau verbreitet? Und wie viel Grün verbirgt sich auf den Dächern der Stadt Wien? Das von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG geförderte Projekt „SEMONA reloaded, an dem auch das Institut für Geomatik der BOKU University maßgeblich beteiligt war, hat diese Fragen mit Hilfe von Satellitenbildern, Laserscanning-Punktwolken und aktuellen Methoden der Fernerkundung untersucht und aufgezeigt, wie viel heute mit frei verfügbaren Erdbeobachtungsdaten möglich ist.
In einem umfangreichen Projekt wurden der Wienerwald, der Nationalpark Donau-Auen, große Teile der Wachau mit dem Naturpark Jauerling, sowie urbane Gebiete in Wien analysiert. Die Datengrundlage bestand vor allem aus Sentinel-Satellitendaten, flugzeugbasierten Laserscanning-Daten (Airborne Laserscanning - ALS) und Orthofotos, kombiniert mit bestehenden Fachdaten wie Biotopkartierungen und Forstinventuren. Ziel war es, daraus praxisnahe Karten und Kennzahlen für Naturschutz, Raumplanung und Umweltmonitoring zu erzeugen – von Natura-2000-Lebensräumen bis hin zu urbanen Grünflächen.
Von der Wachau….
In der Wachau standen typische Elemente der Kulturlandschaft im Fokus: Christbaumkulturen sowie Obst- und Marillengärten. „Aus frei verfügbaren Geodaten, wie zum Beispiel Punktwolken aus Airborne-Laserscanning, die von den Bundesländern ohnehin regelmäßig erhoben werden, lassen sich deutlich mehr Informationen gewinnen, als bisher genutzt werden. Diese Daten werden seit Jahren erhoben, aber genutzt wird aktuell nur ein Teil dessen, was tatsächlich in ihnen steckt“, erklärt Anna Iglseder, Wissenschaftlerin an der TU Wien am Department für Geodäsie und Geoinformation in der Forschungsgruppe Photogrammetrie“
Für die großflächigen, aber sehr detaillierten Landbedeckungskarten wurde primär auf die frei verfügbaren Satellitendaten des europäischen Copernicus-Programms der Europäischen Kommission zurückgegriffen. „Mit den Sentinel-2-Zeitreihen stehen uns hochwertige Erdbeobachtungsdaten kostenfrei zur Verfügung, die detaillierte Analysen der Landbedeckung und die Unterscheidung unterschiedlicher Vegetationsklassen ermöglichen“, erläutert der Fernerkundungsexperte Markus Immitzer von der BOKU University. „Die von der Europäischen Weltraumagentur ESA betriebenen Erdbeobachtungssatelliten des Copernicus-Programms sind mit Sicherheit eine der größten europäischen Erfolgsgeschichten der letzten Jahrzehnte. Die Daten sind hinsichtlich ihrer Qualität und Wiederholrate weltweit einzigartig.“ Für die Wachau wurden damit neben den typischen Landbedeckungsklassen wie Ackerflächen, Siedlungen oder Laub- und Nadelwald, auch die Marillengärten, Christbaumkulturen sowie die Weingärten großflächig kartiert.
… über den Biosphärenpark Wienerwald und den Nationalpark Donau-Auen…
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf den Waldökosystemen im Nationalpark Donau-Auen und im Biosphärenpark Wienerwald. Hier ging es darum, Baumarten, Waldstruktur und Veränderungen im Zeitverlauf sichtbar zu machen.
„In SEMONA reloaded konnten wir zeigen, dass sich mit den Sentinel-2 Satellitendaten, in Kombination mit weiteren Geodaten, sehr präzise Baumartenkarten für den Nationalpark Donau-Auen, den Biosphärenpark Wienerwald und die Wachau ableiten lassen“, sagt Markus Immitzer. „Die erzielten Genauigkeiten liegen bei über 85 Prozent – ein sehr guter Wert. Wichtig ist aber immer die Geländekontrolle, also die Überprüfung der Ergebnisse vor Ort. Damit wird letztendlich sichergestellt, dass die Karten auch Verwendung in der Praxis finden und das ist für mich als Forstwirt von großer Bedeutung“.
Der Biosphärenpark Wienerwald, offiziell 2005 von der UNESCO anerkannt, war bis September 2025 verpflichtet, sein zweites Periodic Review zu verfassen. Im Rahmen dieses aufwändigen Evaluierungsprozesses werden von UNESCO-Biosphärenparks unterschiedlichste Daten, Fakten und Entwicklungen abgefragt. Diese werden vom Biosphärenpark-Management über das österreichische Man and the Biosphere-Nationalkomitee an die UNESCO-Kommission in Paris übermittelt. Externe Gutachter*innen beurteilen die Periodic Review und damit das Wirken der Biosphärenparks. Sie geben Empfehlungen für mögliche künftige Schwerpunktsetzungen ab oder streichen besondere Entwicklungen heraus, die als Best-Practice-Beispiele ins weltweite Netz eingebracht werden. Kennzahlen, beispielsweise zur Entwicklung der Bevölkerungszahl, lassen sich gut aus allgemein verfügbaren statistischen Erhebungen ableiten und darstellen.
Eine größere Herausforderung stellen in diesem Zusammenhang naturräumliche Zustände und Entwicklungen dar. Möchte man Aussagen zu den im Biosphärenpark Wienerwald vorkommenden Baumarten und ihren Anteilen treffen, so fehlt eine einheitliche Grundlage dafür. Forstbetriebe und größere Waldeigentümer, wie auch Gemeinden, im Wienerwald haben oftmals ihre eigenen Planungsgrundlagen, in denen natürlich auch die Baumarten und deren Anteile erfasst sind. Aufgrund unterschiedlicher methodischer Herangehensweisen, veralteter oder in manchen Bereichen gänzlich fehlender Daten können jedoch keine Aussagen für den gesamten Biosphärenpark getroffen werden.
Damit geht auch die Herausforderung einher, dass Aussagen zur Entwicklung der Laub- und Nadelholzanteile im Biosphärenpark Wienerwald zwar nicht möglich waren, aber von großem Interesse sind. Wie steht es um die Fichtenwälder im Biosphärenpark Wienerwald und sind Auswirkungen der Klimakrise bereits an einer Veränderung der Baumartenzusammensetzung erkennbar? Das Projekt Semona Reloaded hat die Beantwortung dieser Fragen maßgeblich unterstützt. „Manche Aussagen hätten wir ohne die Kooperation mit dem Forscher*innen-Team gar nicht treffen können“, so Biosphärenpark-Direktor DI Andreas Weiß. Doch die Ergebnisse finden darüber hinaus Verwendung und haben unter anderem zahlreiche nationale und internationale Delegationen beeindruckt. „Wenn wir im Zuge von Exkursionen eine Übersichtskarte des Biosphärenparks präsentieren und damit die (flächige) Bedeutung der Rotbuche für die Region herausstreichen, so löst dies oftmals Staunen aus. Einen derart hohen Anteil erwarten die wenigsten unserer Exkursionsteilnehmer*innen“, ergänzt Weiß.
In den Donau-Auen experimentierte das Projektteam mit Sentinel-Zeitreihen, um Waldsukzession, offene Flächen und Vegetationsdynamik darzustellen und damit Renaturierungsmaßnahmen und Managemententscheidungen zu unterstützen. Gleichzeitig wurden invasive Arten wie der Götterbaum und Wasserpflanzen als Themen identifiziert, bei denen flächenhafte Fernerkundungsdaten die punktuellen Kartierungen im Gelände sinnvoll ergänzen können. Nicht alle Fragestellungen konnten vollständig bearbeitet werden, doch das Projekt lieferte wichtige Hinweise für zukünftige Arbeiten.
…bis zum Grün in Wien
Auch die Stadt Wien profitierte von den neuen Ansätzen. „Mit einem aktualisierten Laserscandatensatz sowie Luftbildern wurden Modelle entwickelt, um unversiegelte Dächer, überhängende Baumkronen und Pflanzen auf Dachstrukturen besser zu erfassen“, erklärt Anna Iglseder von der TU Wien. Gerade in schattigen Bereichen konnten deutliche Verbesserungen erzielt werden – ein wichtiger Baustein für künftige Monitoringaufgaben im Rahmen der EU-Wiederherstellungsverordnung. Noch offen ist, wie diese Methoden dauerhaft in die tägliche Arbeit der Umweltschutzabteilung integriert werden können.
Projektleiter Hannes Hoffert-Hösl (georaum GmbH) zieht eine positive Bilanz:
„So viele Forschungseinrichtungen und Themen unter einen Hut zu bringen, war nicht einfach. Aber es ist uns hervorragend gelungen – die Ergebnisse sprechen für sich. Ich hoffe, dass wir damit ein gemeinsames Verständnis für zukunftsrelevante Themen schaffen konnten, von der Bewahrung des Welterbes über den Waldumbau bis hin zur Klimaanpassung in den Städten.“
SEMONA reloaded wurde von einem breiten Konsortium getragen: georaum GmbH, Institut für Geomatik der BOKU University, Department für Geodäsie und Geoinformation der TU Wien, Universität für Weiterbildung Krems und das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) arbeiteten eng mit den assoziierten Partnern Biosphärenpark Wienerwald, Nationalpark Donau-Auen, Welterberegion Wachau und den Österreichischen Bundesforsten zusammen. Den Abschluss bildete ein gut besuchter Workshop am 17. Dezember 2025, bei dem Forschungseinrichtungen und Praxispartner gemeinsam die nächsten Schritte für den Einsatz von Geodaten im Naturschutz und in der Planung diskutierten.
https://projekte.ffg.at/projekt/4373986
https://boku.ac.at/oekb/igeo/themenfelder/fernerkundung-wald/ffg-asap-projekt-semona-reloaded
https://repositum.tuwien.at/handle/20.500.12708/187201
Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Markus Immitzer
Institut für Geomatik
BOKU University
E-Mail: markus.immitzer(at)boku.ac.at
Tel.: 01 47654 - 85732