Empirische Studie von 113 Ländern zeigt, dass bebaute Flächen und Straßen den Energieverbrauch und CO2-Emissionen fast genauso stark antreiben wie das Bruttoinlandsprodukt. Maßnahmen zur Eindämmung des Bodenverbrauchs sind daher ein zentrales Element erfolgversprechender Klimaschutzstrategien.

Bekanntermaßen beeinflussen gebaute Strukturen wie Siedlungen und Verkehrsinfrastrukturen den Pro-Kopf-Energiebedarf und die CO2-Emissionen in Städten. Unbekannt war bisher, welche Rolle gebaute Strukturen auf nationaler Ebene spielen, weil dies mangels geeigneter Indikatoren bisher nicht untersucht werden konnte. Die Diskussion konzentrierte sich auf andere potenzielle Determinanten des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen, vor allem das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Untersucht wurden auch Faktoren wie Energiepreise, klimatisch bedingter Heizenergiebedarf oder Bevölkerungsdichte.

In der soeben in Nature Communications erschienenen Studie Built structures influence patterns of energy demand and CO2 emissions across countries“ stellen Forscher*innen des Instituts für Soziale Ökologie (SEC) der Universität für Bodenkultur Wien gemeinsam mit Kolleg*innen aus Spanien und dem Climate Change Center der TU Berlin 16 Indikatoren vor, um die Muster der baulichen Strukturen auf nationaler Ebene zu charakterisieren. Sie quantifizieren diese Indikatoren für 113 Länder. Mithilfe statistischer Methoden untersuchen sie, wie stark Indikatoren für gebaute Strukturen mit Energieverbrauch und territorialen CO2-Emissionen korreliert sind, und vergleichen dies mit der Relevanz von üblichen wirtschaftlichen Größen, wie dem Bruttoinlandsprodukt.

Begrenzung von Bodenverbrauch

Die Bodenversiegelung durch Gebäude und Infrastrukturen schreitet ungebremst voran, vor wenigen Tagen erst ist ein Vorstoß für eine österreichische Bodenschutzstrategie gescheitert. „Wir haben festgestellt, dass gebaute Strukturen für die Vorhersage des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen etwa gleich wichtig sind wie das Bruttoinlandsprodukt und andere herkömmliche Faktoren. Die bebaute Fläche pro Kopf ist der wichtigste Wert, um Vorhersagen treffen zu können, an zweiter Stelle nach dem BIP“, so Helmut Haberl vom Institut für Soziale Ökologie. „Eine Begrenzung des Bodenverbrauchs für neue Gebäude und Infrastrukturen entpuppt sich damit als zentrales Element erfolgreicher Klimaschutzstrategien“, so Haberl weiter.

Die Analyse zeigt, dass Ausmaß und räumliche Muster der gebauten Strukturen in einer länderübergreifenden Analyse eine wichtige Rolle als Determinanten des Ressourcenverbrauchs, hier Energieeinsatz und CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr, spielen. Dies bedeutet, dass die Erkenntnisse aus Studien über Städte im Allgemeinen auch auf nationaler Ebene gelten. Die Indikatoren haben zudem eine erhebliche zusätzliche Erklärungs- und Vorhersagekraft gegenüber herkömmlichen Faktoren. Sie können dazu beitragen, wesentlich stärkere Modelle für Energieeinsatz und CO2-Emissionen auf nationaler Ebene zu entwickeln, als dies bisher möglich war. Damit wird es Forscher*innen ermöglicht, ihre Fähigkeiten zur Analyse und Modellierung von Szenarien zu erweitern, indem sie Muster von gebauten Strukturen als entscheidende Faktoren einer möglichen Entkopplung von Energienutzung und Emissionen vom BIP oder vom gesellschaftlichen Wohlergehen einbeziehen.

Bevölkerungsdichte spielt geringere Rolle als angenommen

Die Studie zeigt auch, dass Ausmaß und Muster gebauter Strukturen die Unterschiede zwischen Ländern bei Energienachfrage und CO2-Emissionen stark beeinflussen, während die Bevölkerungsdichte eine geringere Rolle spielt als bisher angenommen. Der Indikator mit der stärksten und konsistentesten Vorhersagekraft über alle Analysen hinweg ist die bebaute Fläche pro Kopf, die sich in den meisten statistischen Analysen als die zweitwichtigste Variable nach dem BIP herausstellt. Dies gilt auch in Analysen, die den BIP-Effekt berücksichtigen.

Co-Autor Felix Creutzig vom Climate Change Center Berlin Brandenburg und MCC Berlin: „Dies ist plausibel, da Straßen, Autobahnen, Parkplätze und Gebäude für ihren Bau und ihre Nutzung Energie benötigen, was in unserem fossilenergiedominierten Energiesystemen zu hohen CO2-Emissionen führt. Zusätzlich bebaute Fläche bedeutet auch eine größere beheizte oder gekühlte Fläche in Gebäuden und längere Entfernungen zwischen den Zielen, was den Energiebedarf in Gebäuden und im Verkehr erhöht.“

Flächensparende Stadt- und Regionalentwicklung zentral

Diese Ergebnisse bestätigen und erweitern frühere Analysen, die völlig andere Modelle verwendeten, keine räumlichen Muster erfassten und sich hauptsächlich auf zeitliche Trends bezogen. Dies weist darauf hin, dass die Herausforderungen für die Eindämmung des Klimawandels in hohem Maße von dem Ausmaß von Bebauung und Infrastrukturen abhängen. „Dies ist besorgniserregend, da die Materialbestände weltweit weitgehend im Gleichschritt mit dem Bruttoinlandsprodukt wachsen“, so Haberl. Creutzig ergänzt: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine flächensparende Stadt- und Regionalentwicklung zentral für langfristige Klimaziele ist.“

Zum Artikel:

Helmut Haberl, Markus Löw, Alejandro Perez-Laborda, Sarah Matej, Barbara Plank, Dominik Wiedenhofer, Felix Creutzig, Karl-Heinz Erb und Juan Antonio Duro:

Built structures influence patterns of energy demand and CO2 emissions across countries

https://www.nature.com/articles/s41467-023-39728-3

Wissenschaftlicher Kontakt:

Univ.-Prof. Dr. Helmut Haberl
Institut für Soziale Ökologie (SEC)
Universität für Bodenkultur Wien
+43-699-19130591
helmut.haberl(at)boku.ac.at

Prof. Dr. Felix Creutzig
Climate Change Center Berlin
Technische Universität Berlin
MCC Berlin
+49 30 314-78864
creutzig(at)tu-berlin.de