Eine neue Studie unter Beteiligung der BOKU Wien und der Universität Wien analysiert die Perspektive verschiedener Stakeholder*innen in europäischen Agrarlandschaften. Eine Gemeinsamkeit: Der Klimawandel wird als dominanter Treiber von Veränderungen wahrgenommen. Die Studie zeigt aber auch zahlreiche Unterschiede – beispielsweise aufgrund der Nutzung des Biosphärenparks Wienerwald als Erholungsgebiet.

Eine neue Studie, an der Forscher*innen der Universität für Bodenkultur Wien und der Universität Wien beteiligt sind, gewährt Einblicke wie verschiedene Stakeholder*innen die Biodiversität, den Klimawandel und verschiedene Ökosystemleistungen in europäischen Agrarlandschaften wahrnehmen. Obwohl bereits zahlreiche Untersuchungen die Perspektive von Landwirt*innen vor allem regional untersuchten, so fehlten bislang doch länderübergreifende Analysen, die verschiedene Stakeholder*innen miteinbeziehen. „Unsere Studie ist ein wichtiger Schritt, um diese Lücke zu schließen“, erklärt Katrin Karner vom Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der BOKU Wien.

Vier Fallstudienregionen

Dazu analysierten die Forschenden vier Fallstudienregionen in Österreich, Estland, Deutschland und der Schweiz. Um zu verstehen wie sich diese Landschaften im Laufe der Zeit verändert haben und wie diese Veränderungen wahrgenommen werden, befragten sie 49 Stakeholder*innen aus verschiedenen Bereichen, darunter Verwalter*innen (Wissenschafter*innen oder Entscheidungsträger*innen) und Manager*innen (Landwirt*innen oder NGO’s).

Klimawandel als Treiber

Kam es in einer Region zu einer Änderung der Landnutzung, so gab es dafür stets mehrere unterschiedliche Treiber, so die Studie. Der am häufigsten wahrgenommene Treiber war allerdings in allen Fallstudienregionen der gleiche:  der Klimawandel. Karner kommentierte das Ergebnis so: „Unsere Studie verdeutlicht, dass der Klimawandel als einer der prominentesten Treiber von Veränderungen in Agrarlandschaften wahrgenommen wird. In allen untersuchten Regionen wurde dieser als eine der wichtigsten Bedrohungen für die Bereitstellung von Ökosystemleistungen in der Landwirtschaft identifiziert.“

Veränderung im Wienerwald

In Österreich untersuchten die Forschenden die Kulturlandschaft des Biosphärenpark Wienerwald. Die dortige Artenvielfalt geht auf die jahrhundertelange Tradition der Beweidung und Mahd von Grünland zurück. „Würden die Wiesen und Weiden nicht mehr bewirtschaftet, würde dort Wald entstehen und so wichtiger Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten verloren gehen“, erklärt Karner. Was die Stakeholder*innen in dieser Region besonders wahrnahmen, waren längere Dürreperioden und ungleich verteilte Jahresniederschläge. Das führte in der Folge zu Landnutzungsänderungen – etwa Flächenaufgaben und eine geringere Tierdichte. Ohne Maßnahmen wie die Agrarumweltförderung, würden diese Veränderungen aller Wahrscheinlichkeit nach noch deutlicher ausfallen, so die Forscherin. Zudem haben im Wienerwald viele Befragte eine verstärkte Nachfrage nach kulturellen Ökosystemleistungen (zum Beispiel zur Freizeitnutzung) wahrgenommen – mit wachsenden Konflikten hinsichtlich der Erbringung anderer Ökosystemleistungen (z.B. Futter- oder Nahrungsmittelproduktion).

Alle Stakeholder*innen miteinbeziehen

„Unsere Forschungsergebnisse zeigen deutlich, dass die Wahrnehmung von Veränderungen und Treibern in den verschiedenen Regionen variieren kann“, so Florian Danzinger vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien. Während der Klimawandel beispielsweise in den Fallstudienregionen in Österreich, Deutschland und der Schweiz vorwiegend als Bedrohung wahrgenommen wurde, sahen Befragte in Estland die veränderte Temperatur und Niederschläge auch als Chance.  

„Aber auch die regionalen Unterschiede in der Wahrnehmung der Stakeholder*innen hinsichtlich der Treiber und ihrer jeweiligen Auswirkungen auf die Agrarlandschaften zeigen, dass künftige agrarpolitische Maßnahmen regional ausgerichtet sein müssen und landschaftsspezifische Merkmale berücksichtigen sollten“, so Danzinger.

Zukunftsweisend

Durch die wertvollen Einblicke in die vielschichtige Welt der Agrar- und Kulturlandschaften, kann diese Studie dazu beitragen effektive politische Maßnahmen zur Bewahrung dieser Lebensräume sowie ihrer Artenvielfalt und Ökosystemleistungen zu entwickeln und so den Grundstein für eine nachhaltigere Landwirtschaftspolitik in Europa zu legen.

Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazin Ecosystem Services erschienen:

https://doi.org/10.1016/j.ecoser.2023.101563

Kontakt:

Katrin Karner, MSc. Dr.
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung
E-Mail: katrin.karner(at)boku.ac.at
Tel.: +43 1 47654 73125

Florian Danzinger, MSc
Universität Wien
Department für Botanik und Biodiversitätsforschung
1030 Wien, Rennweg 14
florian.danzinger(at)univie.ac.at