06.12.2023 - Datenbasis für einen nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen
Ein Forschungsteam der Universität Trier, Universität für Bodenkultur Wien und der Humboldt-Universität zu Berlin hat das Gewicht der Gebäude und der Infrastruktur der USA erstmals in einer hohen räumlichen und thematischen Auflösung ermittelt.
In der Agenda 2030 haben sich die Vereinten Nationen auf Ziele für eine nachhaltige Entwicklung verständigt. Ein zentraler Aspekt in der globalen Nachhaltigkeitsdiskussion ist der Umgang mit Ressourcen. Ein internationales Forschungsteam hat nun in einer Studie den Ressourcenverbrauch für den Bau von Gebäuden und Mobilitätsinfrastruktur in den USA untersucht, deren Masse errechnet und als hochauflösende Karte dargestellt. Das Gesamtgewicht der Gebäude und Verkehrswege beläuft sich auf etwa 130 Gigatonnen, also 130 Milliarden Tonnen.
„Wenn man die umweltkritischen Folgen wie schädliche Emissionen und Abfall bedenkt, die allein durch die Produktion von Baumaterialien entstehen, werden die Auswirkungen auf Nachhaltigkeit, Klima und Umwelt evident. Dabei ist nicht einmal berücksichtigt, dass für die Erhaltung oder den Ersatz von Baustrukturen erneut Ressourcen verbraucht werden“, erläutert David Frantz, Geoinformatiker an der Universität Trier.
Lösungsansätze für nachhaltiges Bauen und Infrastrukturmanagement
Auf den Bau oder Erhalt von Gebäuden und Mobilitätsinfrastruktur entfallen inzwischen fast 60 Prozent der weltweiten Ressourcenentnahme, verbunden mit weiteren negativen Folgen für Umwelt, Klima und biologische Vielfalt, wie die Versiegelung von Oberflächen, der Verbrauch fruchtbaren Bodens und die Schädigung biologischer Vielfalt. Andererseits sind die Bauwerke für wirtschaftliche Prozesse wie Produktion, Handel, Mobilität und Konsum sowie gesellschaftliche Dienstleistungen wie Wohnen, Mobilität, Wasser- und Energieversorgung unerlässlich.
Für die Suche nach Lösungswegen aus diesem Dilemma stellen die von dem Forschungsteam erarbeitete detaillierte Datenbasis und die neu entwickelten Methoden eine optimale Grundlage für künftige Planungen und Untersuchungen dar. „Unsere Forschungsergebnisse sollen zu einem besseren Verständnis beitragen, wie Ressourcen in unterschiedlichen Räumen effizienter genutzt werden können und wie der Übergang zu einer nachhaltigeren Kreislaufwirtschaft mit längerer Lebensdauer der Baubestände in Verbindung mit vermehrter Wiederverwendung, Reparatur und Recycling gelingen könnte“, betont Co-Autor Helmut Haberl, Sozialökologe an der BOKU Wien.
Satellitengestützte Analyse
In der Studie arbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Mitteln der satellitengestützten Erdbeobachtung, die sie mit Open-Source-Geodaten, beispielsweise aus OpenStreetMap, und Informationen aus der industriellen Ökologie und dem Ingenieurwesen kombinierten. Auf diesem Weg konnten sie eine Schätzung der gesamten Materialbestände der Festlandsgebiete der USA flächendeckend in hoher Auflösung (10m) erstellen. Insofern stellt das Projekt gegenüber ähnlich ausgerichteten Vorgängerstudien, die nur eine grobe räumliche Auflösung erreichten, auf unvollständigen Geodaten basierten und sowohl räumlich als auch thematisch auf Teilgebiete beschränkt waren, einen markanten Fortschritt dar.
So zeigt die Studie, dass dicht bebaute Siedlungen pro Kopf wesentlich weniger Material benötigen. Dagegen seien Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte pro Kopf ressourcenintensiver, weil die Verkehrswege länger sind und die Bauwerke und Infrastrukturen von weniger Menschen genutzt werden. Dieses Ungleichgewicht werde durch Abwanderungstendenzen in die Städte verschärft. Die Untersuchung zeigt zum Beispiel, dass in den USA die Städte vor allem in den Randzonen wachsen, wo Wohngebiete mit Einfamilienhäusern auf relativ großen Grundstücken entstehen. „Die Ergebnisse sind für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft hoch relevant“, so Haberl. „Gebäude werden beheizt und gekühlt. Distanzen zwischen Gebäuden werden durch Verkehrsströme überbrückt. Je mehr Gebäude und Infrastrukturen wir haben, und je gleichmäßiger sie im Raum verteilt sind, desto höher Energieverbrauch und Emissionen.“ Weiters zeigen die Karten mit hoher räumlicher und thematischer Auflösung, an welchen Orten welche Potenziale für Sekundärrohstoffe zu erwarten sind.
Materialflüsse in den USA
Die Forschenden definierten für ihre Messungen acht unterschiedliche Typen von Wohn- und Industriegebäuden sowie neun Arten von Mobilitätsinfrastrukturen von Straßen, Eisenbahnen und U-Bahnen bis zu Tunneln und Parkplätzen. Zudem quantifizierten sie die Masse von 14 Baumaterialien. Dabei stellten sie unter anderem fest, dass in den USA die Masse der Bauwerke annähernd gleich auf Gebäude und Mobilitätsinfrastruktur verteilt ist.
Die Studie fokussiert sich auf die USA, weil am Beispiel der global führenden Wirtschaftsnation die Effekte der Ressourcennutzung besonders evident werden. So übertrifft in den USA die für Bauwerke verwendete Masse die gesamte pflanzliche Biomasse mittlerweile um das 2,6-Fache. Während weltweit die für Gebäude und Infrastruktur aufgewendete Materialmasse vor zwei Jahren erstmals höher war als die gesamte pflanzliche Biomasse, vollzog sich dieser bedenkliche Überholvorgang in den USA bereits einige Jahre früher.
Webviewer zur Übersicht über die Daten
https://ows.geo.hu-berlin.de/webviewer/us-stocks/
Die Studie
David Frantz, Franz Schug, Dominik Wiedenhofer, André Baumgart, Doris Virág, SamCooper, Camila Gómez-Medina, Fabian Lehmann, Thomas Udelhoven, Sebastian van der Linden, Patrick Hostert, Helmut Haberl: Unveiling patterns in human dominated landscapes through mapping the mass of US built structures. In: Nature Communications. DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-023-43755-5
Kontakt
Univ.Prof. Dr. Helmut Haberl
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Soziale Ökologie
Email: helmut.haberl(at)boku.ac.at
Telefon: 01 47654 73714