Der Österreichische Biodiversitätsrat hat in seinem letzten Bericht im Barometer der Biodiversitätspolitik darauf hingewiesen, dass die politische Agenda zum Schutz der biologischen Vielfalt leider kaum Fortschritte zeigt. Während einige kleine Schritte in die richtige Richtung unternommen wurden, stehen die großen, wegweisenden Maßnahmen – wie sie in der Biodiversitätsstrategie 2030 festgehalten sind – noch immer aus. In Kürze erscheint das Biodiversitätsbarometer 2023, jedoch ist bislang keine klare Wende in Sicht. Wie muss der Weg zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie angegangen werden? Welche Rolle kann dabei die Wissenschaft spielen? Welche Stärkung benötigen die Institutionen auf Bundes- und/oder Länderebene oder ist grundsätzlich eine Änderung in der Kompetenzverteilung notwendig? Und was sind die gesellschaftlichen und politischen Folgen, wenn das Einbremsen des rasanten Artensterbens nicht gelingt?

Anlässlich der Tage der Biodiversität an der Universität für Bodenkultur Wien lud das Netzwerk Biodiversität Österreich zur

Podiumsdiskussion

Biodiversität im Dialog mit der Politik

Zeit: 10. November 2023, 9 Uhr
Ort:  Großer TÜWI-Hörsaal U1/01
        Universität für Bodenkultur Wien

        Peter-Jordan-Straße 76, 1190 Wien
    

Podium

Leonore Gewessler
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie 

Franz Essl
Department für Botanik und Biodiversitätsforschung (Universität Wien), Wissenschaftler des Jahres 2022, Mitglied im Leitungsteam des Österreichischen Biodiversitätsrates

Alice Vadrot
Institut für Politikwissenschaften (Universität Wien), Mitglied im Leitungsteam des Österreichischen Biodiversitätsrates, Junge Akademie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Elisabeth Haring
Zoologisch-Botanische Gesellschaft Österreich

Stefan Schmutz
Leitung des Instituts für Hydrobiologie und Gewässermanagement (BOKU), BOKU-Biodiversitätscluster

Moderation: Christoph Rohrbacher

Breites Biodiversitätsbündnis fordert die Umsetzung der gesetzten Ziele im Naturschutz – gemeinsam und jetzt!

An der Universität für Bodenkultur Wien fanden vom 8. bis 10. November die „Tage der Biodiversität 2023“ statt, um gemeinsam mit Kooperationspartnern, Expert*innen und im Dialog mit der Politik einen Weg aus der Biodiversitätskrise zu finden. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler begrüßt den gemeinsamen Dialog und ruft zum starken Schulterschluss für den Erhalt der Vielfalt in der Natur auf.

Der Österreichische Biodiversitätsrat weist in seinem aktuellen Bericht darauf hin, dass die politische Agenda zum Schutz der biologischen Vielfalt kaum Fortschritte zeigt. Zwar wurden im vergangenen Jahr mit dem Beschluss der Nationalen Biodiversitätsstrategie 2030+ sowie der Förderung wichtiger Projekte aus dem Nationalen Biodiversitätsfonds positive Impulse gesetzt, aber insgesamt zeigt das Barometer 2023, dass die Biodiversitätspolitik in Österreich massiv im gelben und roten Bereich liegt. Besonders die Bundesländer seien sehr säumig: Alle neun Naturschutzreferent*innen haben sich gegen den wegweisenden Vorschlag der EU-Kommission für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur positioniert. Und bis heute gibt es keine Bodenstrategie mit verbindlichen Zielen, um die Verbauung der österreichischen Böden mit sofortiger Wirkung zu reduzieren. 

Die interdisziplinären Biodiversitäts-Tage an der BOKU haben es erstmals ermöglicht, dass namhafte wissenschaftliche Institutionen in dieser Breite und Konstellation zusammengekommen sind, um ihre Expertise und Kräfte zu bündeln – und ihre Themen so anzulegen, um auch ins Handeln zu kommen. Daher war den Veranstaltern der Dialog mit der Politik ein ganz besonderes Anliegen. Umso erfreulicher, dass Klimaschutzministerin Leonore Gewessler der Einladung zum Dialog nachkam.

„Unsere Natur und unser Boden sind unsere Lebensversicherung und eine intakte natürliche Vielfalt ist unsere wichtigste Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise. Mit der Biodiversitätsstrategie 2030 haben wir unseren Kompass für Schutz und Wiederherstellung der heimischen Artenvielfalt entwickelt, mit der Erweiterung des Nationalpark Gesäuse einen Meilenstein gesetzt. Genau dasselbe Engagement brauchen wir beim Bodenschutz. Ich appelliere an alle, sich von ihrem alten Denken zu verabschieden und diese wichtigen Themen endlich ernst zu nehmen“, betonte Gewessler anlässlich ihrer Teilnahme an der heutigen Podiumsdiskussion.

„Wir müssen zu einer naturverträglichen Gesellschaft werden und die Schnittstellen zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft stärken“, so Alice Vadrot, Politikwissenschaftlerin an der Universität Wien mit Schwerpunkt internationaler Umweltpolitik. „Dies erfordert eine gesamtgesellschaftliche Transformation, bei der es sowohl darum gehen muss, die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für den Erhalt der Biodiversität zu verändern, als auch die Frage nach dem Wert der Natur für uns Menschen neu zu stellen.“ 

„Was die Biodiversitätskrise verursacht hat und welche Schritte für eine Trendumkehr notwendig sind, ist hinlänglich bekannt, in der Umsetzung jedoch sind wir bislang weitgehend gescheitert. Artenschutz muss integraler Bestandteil unseres Handelns sein und wir dürfen nicht Klima- und Energiekrise gegen die Biodiversitätskrise ausspielen. Nur gemeinsame Lösungen werden auch nachhaltig sein“, betonte Stefan Schmutz, Leiter des Instituts für Hydrobiologie und Gewässermanagement an der BOKU.

„Klima- und Biodiversitätskrise sind miteinander eng verbunden und sie können nur gemeinsam gelöst werden“, bekräftigte Ökologe Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung an der Universität Wien.„Naturschutzmaßnahmen tragen fast immer auch zum Klimaschutz bei - etwa der Schutz alter Wälder und von Feuchtgebieten. Hier braucht es in Österreich massive Anstrengungen, damit es sich für Bauern und Waldbesitzer auch lohnt, mit der Natur zu wirtschaften.“ 

„Nur wenn wir der zunehmenden Entfremdung von der Natur Einhalt gebieten, kann ein Umdenken erreicht werden“, so Elisabeth Haring von der Zoologisch-Botanische Gesellschaft Österreich. „Wenn wir nicht bereits mit unseren Kindern beginnen, die Natur und ihre Lebewesen kennenzulernen, wird der Biodiversitätsverlust ungebremst voranschreiten. Maßnahmen in diese Richtung wären mit dem entsprechenden politischen Willen leicht umzusetzen.“