Symposium: Consumer Science an der BOKU – Möglichkeiten und Herausforderungen

Wie kann ressourcenschonender, nachhaltiger Konsum aussehen, der dennoch den Bedürfnissen der Menschen entspricht? An der BOKU haben sich acht Institute aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Feldern zur „BOKU Initiative Consumer Science“ (ICS) zusammengefunden, um die Forschung an der BOKU in diesem Bereich sichtbarer zu machen und verstärkt zu kooperieren. Im Rahmen des Symposiums „Consumer Science – Möglichkeiten und Herausforderungen“ haben Forscher*innen am 24. April nun die spezifischen Grundlinien der Consumer Science an der BOKU vorgestellt und Einblicke in ihre aktuelle Forschungsarbeit gegeben.

Entsprechend dem zentralen Prinzip der Universität für Bodenkultur Wien, der Nachhaltigkeit, sind auch die Ansätze der Consumer Science an den acht beteiligten Instituten von diesem Handlungsgrundsatz geprägt. Dieser zielt darauf ab, die Bedürfnisse der Gesellschaft durch eine schonende, die Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme bewahrende Nutzung der Ressourcen zu erfüllen und soll unser Konsumverhalten somit zukunftsfähig machen. Die beteiligten BOKU-Institute mit sehr unterschiedlichen Forschungsfeldern legten ihre spezifischen Herangehensweisen an die Consumer Science dar und in einer Panel-Diskussion wurden dann Entwicklungen, Chancen und Methoden thematisiert. Die Teilnehmer*innen der BOKU ICS sind überzeugt, dass die Transformation unserer Gesellschaften hin zur Nachhaltigkeit nur unter Einbeziehung aller möglich ist.

Die inhaltliche Vielfalt unterstrich Klaus Dürrschmid vom Institut für Lebensmittelwissenschaften und Leiter des BOKU-Sensorik-Labors in seinem Eingangsstatement. „Grundsätzlich ist Consumer Science thematisch sehr bunt“. Es gehe um das Verhalten und Erleben von Konsument*innen in ihrem Alltag und das umfasse unter anderem Psychologie und Emotionen, Erwartungen und Wertvorstellungen, Kauf-, Nutzungs- und Entsorgungsverhalten, sensorische Wahrnehmungen ebenso wie rationale Beweggründe. „Die Consumer Science im Lebensmittelbereich versucht, valide Einblicke in das Verhalten und Erleben von Konsument*innen zu erhalten, indem sie verstärkt raus aus dem Labor und hinein in das reale Leben geht“, so Dürrschmid. Doch auch im Labor stehen im Lebensmittelbereich zahlreiche Methoden zur Verfügung: Eye tracking, Messung der Pulsfrequenz, des Hautwiderstandes und der Pupillendilatation bei den Probanden*innen, die auf Konsumentscheidungen schließen lassen. Damit verknüpft sei natürlich die Frage: „Welche Menschen kann man wie zur Konsumveränderung bewegen?“, so Dürrschmid.

„Veränderungen im alltäglichen Konsum können nicht primär durch Appelle an die Eigenverantwortung ausgelöst werden“, betonte Barbara Smetschka, die stellvertretende Leiterin des Instituts für Soziale Ökologie (SEC). Vielmehr seien klimafreundliche Strukturen sind notwendig, um klimafreundliches Handeln und Konsum leichter in den Alltag zu integrieren und eine attraktive Alternative zu nicht nachhaltigen Praktiken zu bieten. Als Beispiel berichtete Smetschka vom Projekt „Glasgrün“, an dem von der BOKU das Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau und SEC beteiligt sind. Dabei geht es um die vertikale Begrünung von Glasfassaden und das Smetschkas Institut hat dabei die Wahrnehmung und Akzeptanz begrünter Fassaden durch Mitarbeiter*innen, Kund*innen und Nutze*innen erhoben. Mit dem Ergebnis: Begrünte Fassaden finden eine hohe Zustimmung, aber ein Großteil teilt auch dieselben Bedenken, nämlich Angst vor der Belästigung durch Insekten und Vögel sowie Sorge wegen möglicher Verschmutzung. Ein Spezifikum bei der Erhebung: Efeu als Begrünung lehnen die Wiener*innen durch die Bank ab.

Am Institut für Marketing und Innovation, dessen Leiterin Petra Riefler ist, wird unter anderem Grundlagenforschung zu Suffizienz betrieben, etwa zu der Frage, wie das Haltbarkeitsdatum von Lebensmittel neu geregelt werden könnte, um das Ziel, Lebensmittelabfälle zu halbieren, zu erreichen. Riefler: „Die Österreicher*innen möchten Mindesthaltbarkeitsdaten auf den Lebensmitteln haben, auch wenn viele sie falsch verstehen.“

Wäre also eine Lösung, wenn statt des Mindesthaltbarkeitsdatums der Hinweis „Beste Qualität bis“ oder eine zusätzliche Anleitung zur sensorischen Prüfung auf die Verpackung gedruckt würden? Dazu wurde eine Untersuchung mit 130 Proband*innen im Rahmen einer Masterarbeit durchgeführt. Die Aufgabenstellung: Ein Frühstück zusammenzustellen, das Joghurt war dabei stets 10 Tag über dem Mindesthaltbarkeitsdatum. Das Ergebnis hat gezeigt, dass es keinen Unterschied bei der Nutzung gemacht hat, ob es sich um Joghurt gehandelt hat, auf dem lediglich das Datum stand oder das Datum plus Anleitung zum sensorischen Test.

Eigentlich, so Gudrun Obersteiner, befasse man sich am Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft (ABF-BOKU) mit Post Consumer Science. „Vermutlich denkt man bei Consumer Science eher an den Themenbereich Marktforschung und nicht gleich an die Abfallwirtschaft. Aber die Fragestellungen sind dieselben nur mit anderen Vorzeichen, nämlich: wer wirft was warum weg?“, so die stellvertretende Institutsleiterin. Also: Warum werfen wir so viel Gebäck weg? Warum liegen in unseren Schubladen uralte Handys, Haartrockner und andere Elektroaltgeräte herum, anstatt dass wir sie zum Recycling geben? Forscher*inne des Instituts beschäftigen sich aber auch mit Motivationsforschung, indem sie etwa der Frage nachgehen, warum bei uns Second Hand-Kleidung noch nicht so boomt wie in vergleichbaren anderen Ländern oder ob optimierte Verpackung zur Abfallvermeidung bei den Konsument*innen beitragen kann.

Ein Forschungsschwerpunkt am Institut für Verkehrswesen (IVe) besteht darin, den Mobilitätsbedarf und das Mobilitätsverhalten im Kontext der täglichen Aktivitäten und Konsumausgaben der Konsument*innen zu verstehen. „Damit wollen wir zu besseren Verhaltensprognosen und einem bedarfsgerechten Verkehrssystem beitragen“, erläuterte Reinhard Hössinger. Denn, so der Verkehrsforscher weiter, immer mehr Tätigkeiten könnten ortsunabhängig durchgeführt werden, was zu einer immer stärkeren Verflechtung mit Mobilität führe. Ein klassisches Beispiel: Im Zug auf dem Weg in die Arbeit auf dem Laptop die ersten Mails beantworten. Hössinger: Das erfordert von uns Forscher*innen aber auch erweiterte theoretische Ansätze und neue Modelle, also die Kombination von Mobilitäts- und Zeitnutzung sowie Konsumverhalten.“

Erholung ist ein wichtiges Grundbedürfnis, wie uns die Coronakrise vor Augen geführt hat. Überlaufene Erholungsgebiete, Konflikte mit Grundeigentümer*innen, dem Naturschutz oder den Erholungssuchenden selbst waren die Folge. „Eine umfassende Steuerung der Erholungsnutzung ist daher unerlässlich und dazu braucht es Grundlagendaten. Befragungen und Zählungen von Erholungssuchenden stellen daher wichtige Grundlagen für die Erholungsplanung und ein nachhaltiges Besuchermanagement dar“, so Arne Arnberger vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Nutzungsplanung (ILEN). Um Ansprüche zu erfassen und Lösungsstrategien zu entwickeln, verfolgt man am ILEN mit sozial-empirischen Methoden einen inter- und transdisziplinären Ansatz. Etwa bei den Fragen: Wie wollen wir unseren Siedlungsraum gestalten? Wie unseren Energieraum? Wie soll die Landschaft künftig aussehen? Dazu führen die Forscher*innen Umfragen durch, arbeiten aber auch mit Virtual Reality, wo sie etwa in einer Landschaft beliebig viele Windräder aufstellen können.

Doch was wünschen sich die Consumer Scientists eigentlich für ihre Forschungsarbeit und wie kann man den Menschen ein nachhaltigeres Konsumverhalten nahebringen? Darüber haben die Teilnehmer*innen in einer abschließenden Podiumsrunde diskutiert. Das Fazit: Den/die Konsument*in gibt es ebenso wenig, wie das Motiv für nachhaltigeren Konsum. Vielmehr müsse man vor dem Hintergrund von Werbung für meist nicht-nachhaltige bei den persönlichen Motiven ansetzen und Antworten auf die Frage „Was bringt mir das?“ liefern. Dafür müssten alle Stakeholder mitgenommen werden, Unternehmen ebenso wie die politischen Entscheidungsträger*innen. Vom Forschungssystem wünschten sich die Diskutant*innen Zeit für und Finanzierung von Langzeitstudien und nicht zuletzt einen höheren Stellenwert, um nicht wie derzeit häufig als „Beiwagerl“ im Rahmen von Projekten mitzulaufen, sondern als eigenständiger Wissenschaftsbereich gesehen zu werden, in dem exzellente Forschung betrieben wird.

Die beteiligten BOKU-Institute/Zentren

Institut für Lebensmittelwissenschaften
https://boku.ac.at/dlwt/ilmw

Institut für Marketing & Innovation
https://boku.ac.at/wiso/mi

Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung (ILEN)
https://boku.ac.at/rali/ilen

Institut für Soziale Ökologie (SEC)
https://boku.ac.at/wiso/sec

Zentrum für Globaler Wandel & Nachhaltigkeit
https://boku.ac.at/wissenschaftliche-initiativen/zentrum-fuer-globalen-wandel-nachhaltigkeit

Institut für Verkehrswesen (IVe)
https://boku.ac.at/rali/verkehr

Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft (ABF-BOKU)
https://boku.ac.at/wau/abf

Institut für Ökologischen Landbau (IFÖL)
https://boku.ac.at/nas/ifoel