13.04.2021 - Landwirtschaft als Klimaretter?
An der BOKU laufen aktuell die Untersuchungsstränge eines europaweit angelegten Programms zusammen, das eine klimafreundliche Bodenbewirtschaftung erforschen – und aktiv etwas gegen den Klimawandel bewirken soll.
In den vergangenen Jahren geriet die Landwirtschaft als Klimasünderin in Verruf: Maximale Produktion auf Kosten der Bodenfruchtbarkeit, Treibhausgase aufgrund starker Stickstoffdüngung. „Wenn es gelingt, Humus in Böden nachhaltig anzureichern, kann man CO2 aus der Luft langfristig speichern. So kann die Bodenfruchtbarkeit verbessert und gleichzeitig die Klimastabilisierung begünstigt werden“, betont Sophie Zechmeister-Boltenstern vom Institut für Bodenforschung an der Universität für Bodenkultur Wien.
Durch die 4-Promille-Initiative im Zuge der UN-Klimakonferenz in Paris ist die Umsetzungsmöglichkeit von Klimaschutz durch Humusaufbau erstmals in den Fokus gerückt. „Wenn wir den Kohlenstoffgehalt in unseren Böden um 4 Promille jährlich erhöhen könnten, wäre es möglich, den jährlichen von Menschen verursachten CO2-Ausstoß einzufangen“ so Zechmeister-Boltenstern.
Europäische Boden-Infrastruktur
Die EU fördert jetzt die Bodenforschung und die dazu notwendige gemeinsamen Infrastruktur im Joint-Programm EJP SOIL mit 80 Millionen Euro. Für Österreich arbeiten fünf gut vernetzte Bodeninstitutionen (BOKU, AGES, Umweltbundesamt, BFW, BAW) als Partner mit. Zechmeister-Boltenstern sitzt auf EU-Ebene in der Steuerungsgruppe: „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren viel Vorarbeit geleistet und diskutiert, wer sich wo engagiert, welche Themen zur Ausschreibung kommen und welche Institution dabei eine führende Rolle übernehmen könnte.“
Neue Methoden für eine zukunftsorientierte Bewirtschaftung
Ein Ziel dieser riesigen, europäischen Bodenforschungs-Infrastruktur ist, ein Verständnis zu schaffen, wie man unter verschiedenen Klima-, Boden- und Grundgesteinsbedingungen am besten Humus im Boden speichern kann. Dafür soll ein Netzwerk von Versuchsflächen und Bodenuntersuchungslaboren in Europa aufgebaut werden, das nach gleichen Prinzipien arbeiten und eine europaweite Datenbank erstellen soll. „Ich glaube, dass sich die Landwirtschaft durch dieses Projekt grundlegend ändern wird“, gibt sich Zechmeister-Boltenstern zuversichtlich. „Wenn es uns in den ersten fünf Jahren gelingt, nur ein Drittel von den aktuellen Wissenslücken zu füllen, können wir den Landwirt*innen neue Methoden zur Verfügung stellen, die ihnen für ihre Bodenbewirtschaftung - vom Anbau über Maßnahmen, die Böden klimaresilienter zu machen bis hin zu finanziellen Überlegungen - Vorteile bringt und gleichzeitig die Umwelt und das Klima schützt.“
Das Team um Sophie Zechmeister-Boltenstern arbeitet bereits an drei in diesem EU-Programm beteiligten Projekten für Bodengesundheit und Ernährung, die von den Instituten für Bodenforschung, Ingenieurbiologie und Pflanzenbau interdisziplinär durchgeführt werden. Im Projekt CarboSeq werden Karten des SOC-Sequestrierungspotenzials für verschiedene Bewirtschaftungsoptionen erstellt. Das Projekt SCALE soll Datensätzen, Beobachtungs- und Modellierungstechniken in der Konnektivitätsforschung harmonisieren und Lücken zwischen verschiedenen räumlichen und administrativen Maßstäben schließen. Im Projekt ∑OMMIT werden Lösungsansätze für die Erhöhung von Bodenkohlenstoffvorräte und für die Reduktion von Treibhausgasemissionen und Nitratauswaschungen verschiedener Bodenbewirtschaftungsoptionen verglichen und bewertet.
Kontakt
Univ.Prof. Dr. Sophie Zechmeister-Boltenstern
Institut für Bodenforschung
Universität für Bodenkultur Wien
Email: sophie.zechmeister(at)boku.ac.at
Telefon: +43 1 47654-91111