Die Antwort lautet: Einiges. Derzeit wird an der BOKU erforscht, ob und wie sich Geschlechtergleichheit positiv auf waldbasierte Wertschöpfungsketten auswirkt.

Einerseits sind die Zahlen ausführender Frauen in Führungspositionen niedrig, auf der anderen Seite kommt es laufend zu globalen Krisen, Klimawandel, wirtschaftlichem Abschwung, Gesundheitskrisen und damit zusammenhängenden weiteren Einbrüchen. „Aus der Innovationsforschung ist bekannt, dass Diversität und die Einbeziehung von ,anderen‘ Gruppen als den üblichen zu neuen Ideen, Aufschwung, Wachstum und ökonomischer Stabilität führen können“, so Alice Ludvig vom Institut für Wald, Umwelt und Ressourcenpolitik der BOKU. Die Frage ist, wie dieses Wissen verstärkt und transparent gemacht werden kann.

Eine für alle?

In dem vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus finanziertem Projekt „Die Auswirkung von Gender Balance auf die Wertschöpfungskette Holz: Frauen in Führung und Management“ werden Frauen aus Führungspositionen innerhalb des waldbasierten Sektors zu ihren Werdegängen, Motivationen sowie hinderlichen beziehungsweise förderlichen Karrierefaktoren interviewt.

Was auffällt, ist, dass die bisher interviewten Frauen starke, charismatische Persönlichkeiten sind, die andere mitreißen können und in ihren Karrieren sehr viel geleistet haben. Aus einer Geschlechterperspektive ergibt sich allerdings die Frage, was mit den übrigen potentiellen Kandidatinnen ist? Wo sind die Frauen geblieben, welche beispielsweise nicht über solche besonderen und starken Eigenschaften verfügen? „Es scheint so, als ob diese weiterhin nicht den derzeit vorherrschenden Vorstellungen von Erfolg und Unternehmertum entsprechen“, erläutert Ludvig, „diese Vorstellungen haben ganz bestimmte und leider oft unreflektierte Bilder und Zuschreibungen an Erfolg, Karriere und die Darstellung von Führungseigenschaften im Hintergrund“. Daher ist es schwierig, die Frauen-Anteile ausreichend zu erhöhen, obwohl die Unternehmerinnenzahlen laut EU-Statistiken leicht steigen.

Demzufolge scheint es fragwürdig, bisher angewandte Strategien einer „Genderbalance“ als alleiniges Ziel zu verfolgen. Es geht darüber hinaus um die Anerkennung einer Genderperspektive, die strukturell bedingte, praktizierte Zuordnungen, Wertevorstellung und Rollenbilder von dem, was als „männlich“ und „weiblich“ in erfolgreichem Unternehmertum und Innovation betrachtet wird, in den Blick nimmt. Ein unmögliches Unterfangen? Nein, es gibt nämlich auch eine stetig wachsende Zahl an Männern in „männerdominierten Sektoren“, die mit diesen Rollenzuschreibungen nicht mehr einverstanden sind. Insbesondere können und wollen sie auch die an sie selbst gestellten „maskulinen“ Vorstellungen nicht mehr erfüllen. Das seien interessante Neuerungen in der Debatte, meint Ludvig, welche mittlerweile sicherlich mit einer der Gründe sind, warum die Zahl der Frauen in oberen Führungs- und Managementpositionen steigt. „Es verändert sich gerade viel.“

Ist Ungleichheit das Symptom oder das Problem?

Es geht für die Forschung allerdings nicht nur um Zahlen, sondern auch um die zugrundeliegenden Vorstellungen und deren wissenschaftliche Interpretationen. Aus diesem Grund will die Studie über das reine „Köpfezählen“ hinausgehen und wendet neue Methoden der Triangulation von unterschiedlichen qualitativen und quantitativen Datensätzen an. Alle bisherigen Studien zeigten jeweils immer schon ein Ungleichgewicht und die Notwendigkeit die Anteile zu erhöhen. Die Ungleichheit steht für Ludvig für beides: „Sie ist Symptom und zugrundeliegendes Problem“. Eine Geschlechterperspektive hat den Vorteil, das größere System, das dahintersteckt, zu beleuchten, womit auch andere Ungleichheiten wie Alter, Sexualität, Einkommen, Religion, Ethnizität usw. in den Blick genommen werden können. „Es bedarf weiterhin ausführlicher Trainings für Auswahlkommissionen, Führungsgremien sowie Aufsichtsräte, um auch die unterschiedlichen Maßstäbe an Exzellenzkriterien bewusster zu machen“, bringt es die Forscherin auf den Punkt. Aus Geschlechterperspektive ist ein selektiver Bias ja leider zumeist unbewusst geprägt.

Beitrag zur Resilienz

Unter Resilienz wird die Fähigkeit innerhalb der Wertschöpfungsketten verstanden, die derzeit auftretenden globalen gesellschaftlichen Krisen unter Rückgriff auf alle vorhandenen Ressourcen zu bewältigen und als Anlass für Weiterentwicklung zu nutzen. „Ich möchte keineswegs eine höhere Resilienz bei Frauen vermuten, das führt zu Stereotypisierungen. Ich möchte neue Perspektiven und Lösungsansätze für Bewältigungsprozesse und Entwicklungspotenziale in den derzeitigen Krisensituationen entwickeln. Dabei kann eine Geschlechterperspektive dem waldbasierten Sektor nützlich sein, denn sie wirft neue Perspektiven und Lösungsansätze auf,“ so Ludvig.

Dr. Alice Ludvig wird das Projekt am 13. April bei der Forstfrauenkonferenz „Wald in Frauenhänden“ von 14:00-15:50 bei einem „World Café-Table“ vorstellen.

https://forstfrauen.at/de/konferenz-2021/programm

Rückfragen:
Dr. Alice Ludvig
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Wald, Umwelt und Ressourcenpolitik
alice.ludvig(at)boku.ac.at