Für die Erreichung der österreichischen Klimaziele spielt der Ausbau von Photovoltaik (PV) eine wichtige Rolle. Da das Potential von Dachflächen-PV für ein klimaneutrales Österreich praktisch nicht ausreicht, braucht es Freiflächenphotovoltaik und Konzepte, welche Doppelnutzung von Freiflächen ermöglichen. Eine Entwicklung nicht ohne Konfliktpotential. Anlässlich dieser zukünftigen Herausforderung lud der BOKU-Energiecluster Expert*innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen zum Austausch über aktuelle Ergebnisse und Standpunkte aus Wissenschaft und Praxis.

„Wie unsere aktuelle Studie zeigt, gibt es einen hohen Bedarf und ein hohes Potential an Flächen für Photovoltaikanlagen in Österreich“, betonte Christian Mikovits (Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung). Bislang lag der Fokus mehrheitlich auf Dachflächen. PV-Anlagen auf Freiflächen wie Flächen entlang von Straßen und Bahnstrecken, Parkplätze, Deponien, Gewässer oder auch landwirtschaftliche Flächen waren ein bislang wenig genutztes Potenzial, die jedoch zukünftig zunehmend an Bedeutung gewinnen werden.

Landschaftsbild und soziale Akzeptanz

„Für die soziale Akzeptanz von Freiflächenphotovoltaik wird es eine möglichst frühe Einbindung aller Akteur*innen und neue Formen von Bürger*innen-Beteiligungsmodellen brauchen“, so Thomas Schauppenlehner (Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung) und Patrick Scherhaufer (Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik). Hilfreich dafür seien glaubwürdige Konzepte für eine Doppelnutzung zum Beispiel mit Agri-Photovoltaik, transparent Darstellung durch wissenschaftlich fundierte Potenzialkarten und Eignungszonen, ebenso wie Visualisierungen, die helfen, sich eine Landschaft mit Freiflächenphotovoltaik vorzustellen.

Agrartechnik und Agri-Photovoltaik

Agri-Photovoltaik (APV) ist ein relativ junges Forschungsthema, weshalb es noch viele offene Fragen gibt.Bei einer Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen durch APV-Anlagen muss geklärt werden, ob eine langfristige Flächennutzung ohne Einschränkung der Pflanzenproduktion möglich ist“, so Alexander Bauer (Institut für Landtechnik). Bisher gab es nur wenige mehrjährige Versuche mit teils sehr unterschiedlichen Ergebnissen. „Positiv ist, dass die Flächeneffizienz z.B. bei Agri-Photovoltaik höher ist als beim Anbau von Energiepflanzen“, betont Bauer. Die aufkommende Konkurrenz um Flächen könne jedoch durch eine Doppelnutzung zum Anbau von Lebens- und Futtermittel sowie Stromproduktion oder als Nutzung als Biodiversitätsflächen verringert werden. „Für zukünftige Win-Win-Strategien benötigt es weitere technologische Ansätze. Die Elektrifizierung sollte in der Agrartechnik berücksichtigt und verfahrenstechnische Veränderungen - besonders im Bereich des Pflanzenbaus - in die Weiterentwicklung von APV-Systemen integriert werden.“

Ökobilanz und Biodiversitätsaspekte von Freiflächen-Anlagen

Auch die wissenschaftliche Nachhaltigkeitsbewertung von Agri-Photovoltaik steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. An der BOKU wurden bereits Umweltauswirkungen einer Agri-Photovoltaik-Testanlage mit vertikal bifazialen PV-Modulen untersucht, dabei das APV-Szenario mit Nutzungsalternativen - entweder reiner Kartoffelanbau oder reine Stromerzeugung durch PV-Module - verglichen. „In der Wirkkategorie Treibhausgase ergab sich ein Einsparungspotenzial gegenüber des Kartoffel-Szenarios von 44-54 Prozent beim APV-Szenario“, so Iris Kral (Institut für Landtechnik). Diese Verhältnisse beziehen sich jedoch nur auf diese Testanlage und können nicht auf ganz Österreich umgelegt werden.

Bei Freiflächen-PV-Anlagen sollte auch das Grünflächenmanagement rechtzeitig in die Projektplanung integriert werden, Stichwort Biodiversität mit all ihren unterschiedlichen Zugängen wie Artenvielfalt, Ökosystemvielfalt, genetische Vielfalt, Fördermechanismen etc. „Für das Erreichen der Zielvegetation ist besonders im ersten Jahr mit erhöhtem Aufwand zu rechnen“, so Michael Obriejetan (Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau).

Kontakt
Assoc.Prof.Priv.Doz. DI Dr. Alexander Bauer
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Landtechnik
Email: alexander.bauer(at)boku.ac.at
Tel.: +43 1 47654-9315

Mag. Dr.phil. Patrick Scherhaufer
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik
Email: patrick.scherhaufer(at)boku.ac.at
Tel.: +43 1 47654-73211

Lebhafte Diskussion: Im Anschluss an die Impulsvorträge stand das Podium für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung: (v.l.) Sigbert Huber (Umweltbundesamt), Johannes Schmidt (Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, BOKU), Vera Immitzer (Bundesverband Photovoltaik Austria), Patrick Scherhaufer (Moderation, BOKU), Kasimir Nemestothy (Landwirtschaftskammer Österreich) und Wolfgang Liebert (Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften und Ethikplattform, BOKU). (c) BOKU Medienstelle/Christoph Gruber

Lebhafte Diskussion: Im Anschluss an die Impulsvorträge stand das Podium für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung: (v.l.) Sigbert Huber (Umweltbundesamt), Johannes Schmidt (Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, BOKU), Vera Immitzer (Bundesverband Photovoltaik Austria), Patrick Scherhaufer (Moderation, BOKU), Kasimir Nemestothy (Landwirtschaftskammer Österreich) und Wolfgang Liebert (Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften und Ethikplattform, BOKU). (c) BOKU Medienstelle/Christoph Gruber